Silke Schlichtmann: Pernilla oder Wie die Beatles meine viel zu große Familie retteten, Carl Hanser Verlag, München 2015, 240 Seiten, €12,90, 978-3-446-24747-5
„Aber sich jetzt drücken, nachdem wir ganz Buxtehunde bis auf die letzte Pfandflasche abgesucht hatten und einer Einweisung ins Kinderheim nur knapp entgangen waren, nachdem wir gelogen und betrogen hatten, das wäre ja wie eine Bank überfallen, ohne Geld zu verlangen: völlig sinnlos. Und ins Gefängnis konnte man dafür trotzdem kommen.“
Alles beginnt mit dieser wirklich blöden Behauptung von Frau Miller, der Erzieherin in Pernillas Hort. Wenn Pernillas Mama, mit Hang zu schwedischen Vornamen, noch ein Kind bekommt, immerhin sind es dann in der Familie Petersen vier, wird niemand sie mehr zu Festen oder zu sich nach Hause einladen. Pernilla ist empört und muss ihrem Ärger Luft machen. Ole, ihr achtjähriger Bruder, kann es nicht fassen, Lars bereits vierzehn Jahre alt ist froh, wenn die Besucherei endlich eine Ende hat.
Pernilla und Ole jedenfalls wollen nicht auf die Vorzüge bei anderen Familien, wie Fernsehen, Playmobil oder Lego verzichten. Pernillas Mutter, Autorin von Psychothrillern, hat nach einem Gespräch über Waldorfschulen so einiges im Haus abgeschafft, auch zum Ärger ihres Mannes, der als Bestattungsunternehmer eine ganz besondere Beziehung zu seinen Buxtehuder Mitmenschen hat.
Kurz und gut, die Kinder wollen eingeladen werden und das heißt, sie müssen sich etwas ausdenken und so gründen sie die Soko „The Beatles“, immerhin waren in Boygroup auch vier Leute. In ihrem Maßnahmeplan listen die Kinder auch gleich mal alle wichtigen Dinge auf, die Gäste beachten müssen.
Als sie dann beim Besuch ihrer neuen Nachbarn, die Theorie in die Praxis umsetzen und alles schief läuft, gibt es nur noch einen Ausweg, sie müssen alle zu sich nach Hause einladen, damit diese ja fast gezwungen sind, Gegeneinladungen auszusprechen.
Das Problem dabei jedoch ist Mama, denn sie wittert, keine Ahnung wie sie das macht, jede noch so kleine geheime Aktivität. Hinter ihrem Rücken etwas zu planen, ist fast unmöglich. Und wie soll eine Party mit 146 Gästen im eigenen Haus auf die Beine gestellt werden, wenn sie überall ihre Nase hineinsteckt? Das ist eine wahre Aufgabe für die Soko.
Zwischendurch jedoch geschehen immer wiedermal so kleine Malheure, die Pernilla wirklich nicht beabsichtigt hat. Was spricht gegen eine Feuerbestattung der toten Ameisen im Hort oder die Nacktschnecken in der Brotbox? Nur Frau Miller und Mama haben da ernsthafte Bedenken.
Nun gut, Ole und Pernilla müssen ihren großen Bruder Lars mit ins Boot holen und das funktioniert nur, weil er so verknallt in Deike Dehmel ist. Wenn sie und ihre Familie zum Fest kommen, dann muss sich auch Lars ins Zeug legen.
Und noch ein Problem, die Finanzierung. Niemals reicht das Geld vom Flaschensammeln, zumal schon das Jugendamt vor der Tür stand und Kindesvernachlässigung feststellen wollte. Neue Quellen müssen erschlossen werden und da heißt es einfach, Augen zu und durch. Eins ist klar, die Party muss trotz Rückschlägen sein, denn die Armholds hatten dieses Jahr die Familie Petersen nicht zu ihrer alljährlichen Party eingeladen. Es besteht Handlungsbedarf. Das Fest der Kinder heißt „Kurz vor sechs“ und auf den Einladungen steht, dass die Eltern Petersen eine Überraschungsparty für die Kinder planen. Zum Glück findet Lars die Kreditkartennummer seines Vaters heraus und so kann das Catering bestellt werden.
Als Vater und Mutter Petersen dann kurz vor Ultimo informiert werden, ist das Chaos schon im Gange. Lars, der sein Klavier verkauft hat und nun Gitarre spielt, um mit Deike und weiteren Freunden Beatles-Songs zu proben, hat offensichtlich die Windpocken. Und Frau Petersen spürt am wichtigsten Tag in Pernillas Leben erste Wehen.
Silke Schlichtmanns Geschichte beruht auf einem Gespräch, dass sie als Mutter von vier Kindern selbst erlebt hat. Mit Augenzwinkern schreibt die Münchnerin vom Alltag einer Großfamilie, die ja nun wirklich eher die Ausnahme als die Regel ist. Pernilla erzählt die skurrile Geschichte aus ihrer Sicht und so wundert es nicht, dass die Kinder ein wertvolles Klavier und einen Küchenschrank für zweihundert Euro kurzerhand verkaufen und niemand schreitet ein. Und doch, die Kinder stellen gemeinsam mit Erfolg, das darf verraten werden, ein ungewöhnliches Projekt auf die Beine. Und es darf verraten werden, dass Silke Schlichtmann bereits am zweiten Pernilla-Band arbeitet.
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