Amelie Fried: Paradies, Heyne Verlag, München 2018, 432 Seiten, €17,00, 978-3-453-27047-3

„Manchmal dachte sie, dass Amazon an der Beziehungsmisere ihrer Generation schuld war. Die Leute waren es mittlerweile gewohnt, dass man alles, was man wollte, einfach bestellen und bei Nichtgefallen zurückgeben konnte. Warum sollten sie es mit ihren Beziehungen nicht genauso machen? Passt nicht mehr? Dann hau weg den Scheiß und was Neues her. Genauso achtlos, wie sie mit Sachen umgingen, gingen sie auch mit Menschen um.“

Eine Woche Entspannung, Wellness und vor allem einfach mal weg sein vom Alltagsstress, darauf freuen sich nicht nur Familienmensch und Lehrerin Petra, sondern auch die attraktive Anka, die sich ständig kümmern müssende Suse und die lebenshungrige Jenny. Alle vier Frauen reflektieren über die Leerstellen in ihrem Leben, ihre Hoffnungen und Wünsche. Im spanischen Hotel Paraíso wollen sie es sich gutgehen lassen und bei Yoga, Massagen und Achtsamkeitstraining mit psychologisch unterstützenden Gesprächen erwarten sie Erholung und Erkenntnisse.

Aber alles läuft in die völlig falsche Richtung. Suse provoziert als „Gutmensch“ eine Razzia der Polizei im Hotel und von achtzehn Angestellten können nur vier bleiben. Der Direktor macht sich auch aus dem Staub und nun sieht es so aus, als würde aus dem hochwertigen Wellnesswochenende ein Campingurlaub. Ein Sturm zieht auf, die Sickergrube läuft über und alle möglichen Konflikte, die sich bereits angedeutet haben, brechen ziemlich eklig und stinkend aus.
Petra erkennt, dass ihre Ehe, die nun fünfundzwanzig Jahre mehr oder weniger glücklich läuft, auf Sand gebaut ist. Anka ist die Geliebte ihres Mannes und auch noch schwanger.
Seltsamerweise durchschauen sich auch die Figuren selbst, analysieren ihre Schwächen und lassen dem Leser kaum Raum für eigene Gedanken. Suse, die sich ständig um andere sorgen muss, hat die Mutter früh verloren und musste viel zu schnell erwachsen werden. Ihr Drang anderen zu helfen, führt zu ihrem eigenen schnellen Untergang. Jenny als Frau mit Ende fünfzig, die ihr Päckchen zu tragen hat, da einst Prostituierte mit schwulem Sohn, der sie verachtet, geriert zur edlen Mutter Theresa und findet ihr Glück. Ronnie, natürlich ein Sachse, wiederholt die üblichen beschränkten rechten Sprüche gegen Geflüchtete und Verschwörungstheorien, die sich natürlich auf Israel beziehen und Günther, ein uriger Berliner, kontert mit Lebensmut und Verstand. Natürlich fehlt auch nicht die durchgeknallte Frutarierin, die alle mit ihren Engelsfantasien nervt.

Die Autorin Amelie Fried kann sich irgendwie nicht entscheiden, ob sie nun einen Unterhaltungsroman für Frauen mit einem kritischen Blick auf das Hier und Heute schreiben wollte oder einen gesellschaftskritischen Roman, der unterschiedliche Themen anspricht. Die äußeren Umstände der Geschichte sind altbekannt und abgegriffen, Menschen treffen sich in einem geschlossenen Raum und Lebensentwürfe werden auf den Prüfstand gestellt. Da Amelie Frieds fiktive biedere Figuren aber alle aus dem Katalog der Stereotype stammen, spult sich die Geschichte ohne Zwischentöne von einem Klischee zum nächsten hangelnd voraussehbar und belanglos ab. Die müden wie geschmacklosen Sexszenen, die die Autorin einfließen lässt, stoßen eher ab, als dass sie sinnlich oder einfühlsam die Handlung bereichern.

Alle Lebensweisheiten kommen platt daher, z.B. diese, dass betrogene Ehefrauen doch bei ihren Ehemännern bleiben, da sie als geschiedene Frau in der Gesellschaft auf dem Abstellgleis landen und eher geächtet als akzeptiert werden. In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? Jegliche Bezüge zur Gegenwart sind einfach nur oberflächlich. Absolut enttäuschend!