Morton Rhue: No place, no home, Aus dem amerikanischen Englisch von Katarina Ganslandt, Ravensburger Buchverlag, Ravensburg 2013, 285 Seiten, €14,99, 978-3-473-40100-0

„ Ich hatte nicht eine Sekunde lang das Gefühl gehabt, dass das alles irgendeine Bedeutung für mein eigenes Leben hatte.“

Morton Rhue ist ein Pseudonym. Sein richtiger Name ist Todd Strasser, und er veröffentlicht auch unter beiden Namen. Morton Rhue steht für die realistischen, gesellschaftskritischen Jugendromane. Auch in seinem neuesten Roman widmet sich der amerikanische Autor einem Thema, das durch die Wirtschaftskrise nicht nur die USA betrifft.

Der 17-jährige Daniel Halprin ist auf seiner Schule anerkannt, er liefert gute Leistungen, hat ein Stipendium für die Rice University und ist ein hervorragender Baseballspieler. Alles prima, wären da nicht die existentiellen Schwierigkeiten seiner Eltern. Daniels Mutter ist trotz guter Ausbildung seit langem arbeitslos und der Vater hangelt sich von einem Job zum nächsten. Die Familie gelangt eines Tages an den Punkt, wo sie die Raten fürs Haus nicht mehr zahlen kann. Deprimiert zieht die Familie in die Villa des Onkels Ron. Dan versucht nun im Hobbykeller, während seine kleinen Nichten und Neffen mit Bällen spielen, Hausaufgaben zu machen. Ron tyrannisiert die Familie mit seiner miesen Laune, auch ihn hat die Finanzkrise erwischt. Die Stimmung zwischen den Familien kocht hoch als Ron den Schwager als „Blindgänger“ bezeichnet. So lange Dan es vermag, verheimlicht er den sozialen Abstieg vor seinen Freunden und vor allem vor seiner Freundin Talia, die mit ihren Eltern immer noch herrliche Urlaube machen kann.

Immer wieder drehen sich die Gespräche der Leute in Average um das Obdachlosenlager Dignityville, das für Menschen in Not mitten in der Stadt in einer Parkanlage errichtet wurde. Die öffentliche Ausstellung der Krise, in die viele Menschen geraten sind, passt jedoch bestimmten Leuten nicht. Sie haben in Immobilien investiert und befürchten nun deren Wertverlust.

Dans Eltern beschließen, dass sie sich der verwandtschaftlichen Gnade nicht mehr länger aussetzen wollen. Sie ziehen nach Dignityville. Dan ist am Boden zerstört und in einem inneren Konflikt. Zum einen versteht er seinen Vater, der einfach keine Arbeit als Jugendtrainer mehr bekommt, zum anderen beginnt er ihn zu hassen. Die Demütigung den Freunden sagen zu müssen, wo er jetzt wohnt, ist zu heftig, zumal auch seine Freunde der Meinung sind, die Obdachlosen sind soziale Schmarotzer, die einfach Drogen nehmen, Alkoholiker sind oder einfach keine Lust zum Arbeiten haben. Die alte Leier, man muss nur Arbeit suchen, dann findet man sie auch, darf sich Dan sogar von seinem besten Freund Noah anhören.
Dan erkennt jedoch schnell, dass viele Menschen in Dignityville von ihrer Arbeit nicht leben können. Der Lohn reicht nicht aus, um ein Haus und eine Familie zu ernähren. Andere landen im Obdachlosenheim, weil sie durch Krankheit und hohe Kosten in die Armutsfalle gerutscht sind.

Dan kann kaum noch an den Freizeitaktivitäten seiner Freunde teilnehmen, die ständig mehr oder weniger geschickt versuchen ihm zu helfen. Aber Dan will die Almosen seiner Freundin nicht annehmen und gelangt mehr und mehr ins gesellschaftliche Aus. Auf der anderen Seite spürt Dan den Zusammenhalt und die Solidarität der Leute im Obdachlosencamp. Er will einfach nicht auf der Verliererseite stehen, auch wenn er die soziale Ungerechtigkeit wahrnimmt.

Als einer der jungen Organisatoren im Camp, Aubrey Fine, dann aber von vier Jugendlichen zusammengeschlagen wird, beginnt die Stimmung innerhalb der kleinen Stadt zu eskalieren. Wer steckt hinter diesem feigen Überfall und was bezwecken die Hintermänner damit?

Morton Rhue verpackt seine gesellschaftliche Anklage in einen spannenden Plot, in den letztendlich aus Scham und in der Hoffnung auf Veränderung Dans Vater verwickelt ist. Der amerikanische Autor räumt mit gängigen Vorurteilen auf und belegt am Beispiel der Familie Halprin, nicht jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Die Gesellschaft ist in eine Schieflage geraten und zieht die einst gut situierte Mittelschicht mit in den Abgrund.

Dan begibt sich auf einen schweren Erkenntnisweg und geht doch gestärkt aus ihm hervor. Dass viele Menschen diese Erfahrungen nicht ertragen und in Alkohol oder Drogen flüchten, bleibt kein Geheimnis.