Stefanie Höfler: Mein Sommer mit Mucks. Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2015, 140 Seiten, €12,95, 978-3-407-82063-1
„Mucks? Ist das ein Geheimcode, ein Außerirdischendankesgruß oder was?“
Mucks und Zonja tragen nicht nur seltsame Name, sie wirken auch beide, wie nicht von dieser Welt. Wie kann man ein Mädchen nur Zonja, wohlgemerkt mit Z nennen? Dabei sind Zonjas Eltern absolut sympathische in keiner Weise extravagante oder gar exaltierte Menschen. Mucks hat sich seinen Namen selbst gegeben und das liegt an seinem Vater, der von ihm immer eines erwartete, er muss sich mucksmäuschenstill verhalten. Zonja ist also keine „Prinzessin aus einer fernen Sternengruppe, deren Galaxie erst in einigen Jahrhunderten entdeckt wird“. Sie ist ein äußerst neugieriges zwölfjähriges Mädchen, dass im Gegensatz zu anderen Teenies sich nicht für Klamotten oder Jungs interessiert oder die Welt zum Gähnen langweilig findet, sondern süchtig ist nach Wikipedia und Bibliotheken. Allerdings ist sie durch ihre vielfältigen Interessen auch ziemlich allein. Ein Blauwal sozusagen.
„Sogar der Blauwal, das größte lebende Säugetier der Erde, ist ein Einzelgänger. Also, warum nicht auch ich?“
Zonja ist die Erzählerin dieser Geschichte und sie ist wirklich vielseitig interessiert. Wenn sie in den Ferien allein ins Schwimmbad, dem Ort der Stille und Beobachtung, zumindestens für Zonja, geht, dann schreibt sie Listen mit Fragen, die sie nach und nach abarbeitet. Zur Zeit ist die Top-Frage: Was ist der wertvollste Stein der Welt?
Und Zonja ist eine Untersucherin, z.B. des Schwimmbeckens, aus dem sie sogar schon eine tote Ratte geborgen hat. Als Zonja jedoch den ellenlangen, extrem weißhäutigen Jungen mit dem Abstehohren beobachtet, muss sie ihre passive Position verlassen und ihn vor dem Ertrinken retten. Doch wie kann es sein, dass ein dreizehnjähriger Junge nicht schwimmen kann?
Auf jeden Fall freunden sich Zonja und Mucks an. Sie spielen stundenlang Scrabble und scheinen einen echten Draht zueinander zu haben. Zonja erfährt, dass Mucks Mutter den Vater verlassen hat und nun von Berlin nach München in eine Hochhaussiedlung gezogen ist.
Als Mucks zum ersten Mal Zonja zu Hause besucht, erzählt er von diesem Umzug und er zeigt Zonja, die natürlich auch einiges weiß, die Sterne. Seltsam ist, dass er nicht die Mutter anruft und sehr lang bei Zonja bleibt. Er isst ungeniert einen Pfannkuchen nach dem anderen, und scheint sich pudelwohl zu fühlen. Für Zonja ist Mucks ein Rätsel, aber dann wiederum ist er auch wieder ehrlich und auf die Frage, wovor er Angst hat, sagt er, vor dem Vater. Nie hätte der Vater dem Sohn zugehört oder sich in irgendeiner Weise für ihn interessiert. Und dann begeht Zonja einen Fehler und ahnt nicht, was sie anrichtet. Sie fragt Mucks, warum er denn nicht schwimmen könne. Mucks, der sonst so ruhig ist, explodiert und lädt seine angestauten Aggressionen bei Zonja ab. Wutentbrannt rast er vom Schwimmbad nach Hause und Zonja trägt ihm die Sachen hinterher und entdeckt in seinem Rucksack ein Pfefferspray. Irgendetwas stimmt nicht mit Mucks, denn Zonja hat auch blaue Flecken an seinem Körper entdeckt.
Feinfühlig und vor allem in einer kunstvollen Sprache erzählt Stefanie Höfler in ihrem Debütroman von einer Freundschaft, die nur für einen Sommer hält. Mucks, der eigentlich Fabian heißt, trägt eine Last mit sich herum, die ihm niemand abnimmt. Er ist auf der Flucht vor dem Vater, dessen Brutalität er sich nicht mehr ausliefern will. Zonja jedoch hält ihre Beobachtungen nicht für sich, sie redet mit ihren Eltern und die Mutter greift ein, als sie bemerkt, dass der Junge zu Hause in Schwierigkeiten ist. In gewisser Weise entfernen sich die Eltern und die Kinder, wenn die pubertäre Phase beginnt und auch Zonja spürt das.
„Aber irgendwann haben wir damit aufgehört, so wie man plötzlich aufhört mit Kuscheltieren zu spielen, am Daumen zu lutschen oder nachts die Türe zum Flur offen zu lassen.“
Aber Zonja und ihre Eltern haben nie aufgehört miteinander zu reden. Auch die Gespräche zwischen Mucks und Zonja, zwei sehr glaubwürdig gezeichnete Kinderfiguren, sind für beide wichtig. Dass der Junge nie mit seinen Eltern, egal was in ihrem Leben passiert ist, sprechen konnte, ist offensichtlich.
Ein gelungenes Debüt!
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