Åke Edwardson: Marconipark, Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch, Ullstein Verlag, Berlin 2015, 400 Seiten, €19,99, 9783550080289

„Was weiß sie, das niemand erfahren darf?, dachte er. Etwas, von dem sie nicht wissen will, dass sie es weiß?“

Kriminalkommissar Erik Winter, mittlerweile dreiundfünfzig Jahre alt, plagt sich immer noch mit seinem Tinnitus, hat in Göteborg seine Liebe zum Whisky und zu den Texten von Michael Bolton entdeckt. Zwar rümpfen alle die Nase, wenn er davon erzählt, aber Winter lässt sich nie so schnell von seiner Meinung abbringen. Er telefoniert immer wieder mit seine Frau Amanda, die mit den Kindern auf Marbella lebt.
Der Frühling kündigt sich an, und Erik Winter hat den nächsten Fall zu lösen. Im Marconipark wurde eine männliche, entblößte Leiche mit einer Plastiktüte über dem Kopf gefunden. In gleicher Weise werden noch weitere Männer und eine Frau hingerichtet. Alle Opfer wurden in Sichtweite ihrer eigenen Wohnung ermordet. Alle sind um die vierzig und beruflich etabliert. Entweder haben sie allein gelebt oder waren geschieden. Alle Verhöre mit den Angehörigen der Toten verlaufen unbefriedigend. Nicht immer wird getrauert, aber viel geschwiegen, das spüren Winter und sein Kollege Bertil Ringmar.

„Manchmal gab es gar nichts, nur Dunkelheit und Abgrund. Manchmal sah er ein kaltes Licht, manchmal ewige Wärme. Die gab es hier nicht, nicht in dieser Küche, bei ihr. Die Intuition war stark. Sie war die Wahrheit.“

Kurz und pointiert sind die Gespräche, die Ringmar und Winter führen und schnell ahnen die Ermittler, hier verübt jemand Rache, Wut hat sich angestaut nach einer gewissen Zeit und ein Puzzle für die Polizei, denn jede Leiche ist mit einem schwarzgemalten Buchstaben versehen, der unbedingt gefunden werden soll.
„’Robert Hall ein R, Jonatan Bersér ein O, Matilda Cors ein I und jetzt Johan Schwarz ein A.’“

Winter setzt die Buchstaben zusammen in allen möglichen Varianten und erkennt, das Morden ist noch nicht vorbei, wenn Marconipark das Schlüsselwort ist. Hier muss es geschehen sein, vor gut zwanzig Jahren. Es dauert bis Querverbindungen zwischen den Toten hergestellt werden. Lange schaut sich Winter alte Familienaufnahmen der Toten an und er wird fündig.
Winter muss aber nicht nur dem bereits müde gewordenen Mörder eine Ende setzen, er schlägt sich mit seinen Träumen herum, flieht kurz nach Marbella und umgeht die Entscheidung, wenn es um seinen künftigen Wohnort geht.

Åke Edwardson hat keinen wahnsinnig spannenden Krimi über einen Serienmörder geschrieben, denn relativ schnell ist kundigen Lesern klar, welche perfide Tat gerächt wird. Doch was passiert mit empathielosen Menschen, die an Minderjährigen schuldig geworden sind? Das fragt sich auch Winter, der nie abgestumpft wirkt und immer noch vollen Einsatz zeigt, auch wenn er dafür ein Fahrrad klauen und durch die halbe Stadt rasen muss.

Schnell wird auch die gequälte Sicht des Täters offenbar, mit dem Ermittler Winter durchaus sympathisiert. Es sind die Blicke in die schwedische Gesellschaft, das Aufspüren der Psyche und Dunkelheit im Leben der Schweden, das Öffnen der Türen der wohlsituierten Landsleute, die jeden sprachlich anspruchsvollen Krimi von Åke Edwardson so lesbar machen.