Lisa Sarah Brandstäter: Mord in eiskalter Nacht . Ein Helsinki – Krimi, Ullstein Verlag, Berlin 2025, 464 Seiten, €12,99, 9783548073125

„Es war nicht das erste Mal in ihrem Leben, dass der Zufall ihr in die Karten spielte. Ja, Finnland war hinsichtlich der Bevölkerung klein, und es war ihr schon mehrmals passiert, dass sie jemanden kennenlernte und sich später herausstellte, dass sie die gleiche Person kannten. Aber hatte es einen Grund, dass sie ausgerechnet Bergdahls Stieftochter beim Eislaufen traf?“

Zahlreiche Zufälle ziehen sich wie ein roter Faden durch diesen Mordfall, dessen Opfer ausgerechnet am Weihnachtsabend nach einer ausgelassenen Party zu Tode kommt. Die bekannte Fernsehmoderatorin Kira Westerlund wird am Morgen in ihrem riesigen, gut gesicherten Haus in einem guten Viertel Helsinkis von einem maskierten Mann erstickt. Auf ihren Bauch legte der Täter ihren Ehering. Später wird sich herausstellen, dass Kira in der zehnten Woche schwanger war.
So beginnt die Auftaktreihe um die junge Kriminaloberkommissarin Leena Victor, die allerdings zu Beginn der Geschichte in den wohlverdienten Urlaub geht. Ihr gesundheitlich angeschlagener Chef Mika Levin übernimmt den Fall
Lisa Sarah Brandstädter zeigt nun in der Rückschau von zwei Tagen wie Kira Westerlund ihre letzten Stunden verbrachte. Dabei wird deutlich, dass ihre so glückliche Ehe mit dem Unfallchirurgen Sören eher getrübt war. Immer wieder stellte er vor das Private das Berufliche und Kira, auch wenn sie es bereute, begann eine Affäre mit ihrem charmanten Ko-Moderator Sebastian Palm. Und dann wird klar, jemand scheint Kira zu stalken und zu bedrohen. Da Helsinki offenbar ein Dorf ist, waren bei der Weihnachtsparty Kiras auch Leena Victor und ihre sehr bekannte Schwester und Schauspielerin Hanna anwesend, deren letzter Film sogar für den Oscar nominiert wurde. Leena und Hanna machen ihren Aussagen bei der Polizei, und dann lernt Leena auch noch die eigenwillige Lilli Rosengard kennen, die bei ihrer Jobsuche Probleme hat und ausgerechnet die Stieftochter von Jussi Bergdahl ist, des Programmchefs von Kiras Sender.
Alle Frauenfiguren, ob es Leena ist, Lilli, Hanna oder Kira räumt die Autorin viel Platz ein, es geht um ihre One-Night-Stands, Bulemie, familiäre Konflikte, Alkoholkonsum und genaue Recherchen, aber auch die beruflichen Schwierigkeiten, bis hin zu Machtspielen und sexuellen Übergriffen von Vorgesetzten und Regisseuren. Und so verliert die anfänglich dargestellte Glamourwelt der Journalistinnen und Schauspielerinnen mit tollen Häusern und Partys, in denen auch Drogen konsumiert werden, an Glanz und die brutale Wirklichkeit kommt zum Vorschein. Per Zufall erfährt Leena, dass Jussi Bergdahl bereits im letzten Job Frauen sexuell bedrängt hat. Auch Kira und ihre Kolleginnen mussten den sechzigjährigen Chef mit seinen Avancen ertragen, doch Kira drohte ihm per E-Mail mit der Polizei. Diese E-Mail findet Lilli per Zufall auf dem Laptop des Stiefvaters. Durch einen zweiten Zufallsfund in den sozialen Medien gerät Bergdahl ins Visier der Ermittler. Doch Bergdahl kann nur wegen sexuellem Missbrauch sogar an Minderjährigen belangt werden. Der wahre Mörder ist längst in der Geschichte aufgetaucht und wieder hilft der Zufall, damit Leena den Täter stellen kann.
Parallel zu den Geschehnissen rund die Frauen und den Mordfall erinnert sich Leena an grausige Erlebnisse, die sie mit ihrer Schwester durchstehen musste und von denen sie noch nie jemandem erzählt hat. Und sie will in ihrem Urlaub nochmals erkunden, ob ihr alkoholabhängiger Vater Rickard wirklich Selbstmord begangen hat.
Mit dem reißerischen Titel des Krimis lockt die Deutschfinnin Lisa Sarah Brandstädter sicher Lesende an. Allerdings ist die Handlung des ersten Bandes, der zweite erscheint im nächsten Jahr, mit all den Nebenschauplätzen und wirklich zum Teil unglaubwürdigen Zufällen zu überladen. Zu konstruiert ist dieser Fall, der in all den Geschichten, u.a um die Vergangenheit der Schwestern Leena und Hanna und um #meetoo, als wäre dies ein neues Phänomen, phasenweise an den Rand gedrängt wird. Hinzu kommt die tragische Krankengeschichte von Mika und die Alkoholexzesse der Finnen, die sich duzen, was in der Übersetzung für deutsche Lesende seltsam klingt.