Line Baugstø: Evil Grandma, Aus dem Norwegischen von Nora Pröfrock, Rowohlt Wunderlich Verlag, Hamburg 2025, 256 Seiten, €23,00, 978-3-8052-0123-0
„Vielleicht ist sie doch keine Hexe.
Oder vielleicht ist die Welt endlich bereit für Hexen. Wütende, verbitterte, mürrische und widerborstige Frauen, die nicht versuchen, sich anzubiedern oder die hässliche Wahrheit zu beschönigen. Eine Mona, die die Dinge beim Namen nennt und den ganzen Schwachsinn durchschaut. Eine ergrauende Frau, die nichts mehr zu verlieren hat.“
Mona kann einfach nicht auf Befehl lieblich lächeln, wie es so viele Frauen wie auf Knopfdruck in den sozialen Medien zustande bringen. Ihr Gesichtsausdruck ist eher grimmig, auch wenn sie das gar nicht beabsichtigt. Mit ihren fünfundsechzig Jahre ist sie nicht gut gealtert, denn sie liebt Schokolade und Wein und ist trotz ständiger Diäten übergewichtig. Die Sorgen der vergangenen Jahre, die Erziehung der beiden Söhne Thomas und Christian und die Scheidung, haben sich in ihr Gesicht eingemeißelt. Monas Leben ist alles andere als aufregend. Sie lebt in einer kleinen Wohnung, löst gern Kreuzworträtsel, schaut fernsehen, trifft sich mit ihrer langjährigen Freundin Annemor und arbeitet in einer Regierungsbehörde, die sie bald in Rente schicken wird.
Als dann jedoch ihr ältester Sohn Thomas mit seiner oberflächlichen Freundin Alma wie immer nur kurz bei ihr vorbeischaut, haben die beiden auch gleich eine Neuigkeit zu verkünden. Sie erwarten im September ein Baby.
Aus der personalen Perspektive begleitet Line Baugstø nun ihre Protagonistin Mona über neun Monate hinweg bis zur Geburt des Kindes. Monas kritische Gedanken, die sie noch nicht auszusprechen wagt, sind kursiv gehalten. Über die Aussicht demnächst Oma zu werden freut sie sich jedenfalls nicht, denn ihre Beziehung zu Thomas hat sich verändert, seit er wie ein anhängliches, konfliktscheues Hündchen an der fünfundzwanzigjährigen Alma hängt, die mit ihrer schrillen Stimme und ihrer herablassenden wie egoistischen Art glaubt, nicht nur Mona, sondern auch im Sozial Media – Universum auf ihrem Instagram Account, allen wohlmeinende Ratschläge zu erteilen. Um des lieben Friedens Willen zügelt Mona ihre innere Wut, auch wenn der Blutdruck bei ihr in die Höhe steigt. Alma wandelt sich auf Instagram nun in die allwissende Muminfluencerin und Mona schaut ihr dabei noch immer nicht begeistert zu. Für sie sind die Ergüsse ihrer Schwiegertochter in englischer Sprache einfach nur verblödete Plattitüden. Mit nicht mal 1000 Followern ist Alma nicht sehr erfolgreich, bläht aber ihr kaum interessantes Leben mit Schwangerschaft und bedauerlicher Wohnungsüberschwemmung völlig überhöht enorm auf. Mona hofft, dass Thomas und Alma bei ihrer Familie, die ein großes Haus bewohnt, unterkommen. Doch weit gefehlt, wegen Streitereien mit Almas Schwester muss sie ihre Schränke und ihr Schlafzimmer räumen, damit sich Alma ausbreiten kann. Im Gegensatz zu Alma postet Julie, Annemors Tochter, eindrückliche Fotos und Videos, in denen sie sich für den Umweltschutz stark macht und die Klimakrise thematisiert. Zu Annemors Kummer will sie keine Kinder in diese untergehende Welt setzen. Und so schleicht sich auch langsam ein Missbehagen zwischen den Freundinnen ein, denn Monas Kritik an ihrer unsympathischen Schwiegertochter kann die Freundin nicht nachvollziehen. Auch Monas Versuch, der Wohnung zu entfliehen, um einen Mann kennenzulernen, geht krachend schief. Durch die beengte Wohnsituation und die unglaubliche Unordnung, die Thomas und Alma verursachen, staut sich in Mona langsam eine unbändige Wut an. Sie kocht, putzt und wäscht und muss sich von Alma, die nur auf ihr Handy starrt, dümmlich belehren und auch unter dem Mäntelchen des Gutgemeinten beleidigen lassen. Um ihren Frust wirklich publikumsnah loszuwerden, lässt sich Mona von Julie ein Konto bei Instagram einrichten und betitelt dieses als evilgrandma65. Hier kann Mona nun richtig ablästern und ihren Ärger über die empathielose Generation, die sich selbst für unfehlbar hält und ständig selbstbespiegelt, loswerden. Als dann die Wohnung von Thomas und Alma wieder bezugsfertig ist, bedanken sich weder Thomas noch Alma, die auf Insta eher betonte wie schrecklich alles war, für Monas Hilfsbereitschaft und die lapidar dahingesagte Einladung zum Essen findet nie statt.
Als dann Almas Babyshower in Rosarot stattfindet, und Mona nur per Zufall dabei sein darf und auch noch zum Helfen verdonnert wird, platzt ihr vor allen Barbie – Freundinnen Almas endlich der Kragen. Sie lässt eine derart aggressive Wuttirade los, die dazu führen wird, dass niemand mehr mit ihr sprechen will.
Die norwegische Autorin Line Baugstø hat einen herrlich ironischen Roman über Jugendwahn und Generationenkonflikte im Zeitalter der digitalen Medien geschrieben und über Frauen, die sich für ihre Wutattacken, die sicher auch sehr begründet sein können, schämen und sich immer wieder hinten anstellen. Mona durchbricht zum Glück dieses erlernte Verhaltensmuster, auch wenn ihr Wutausbruch viral geht und sie als böse Oma enttarnt wird.
Eine Lektüre, bei der viele Frauen im Alter von Mona sicher herzlich und befreiend lachen können!