Laure van Rensburg: Nur du und ich, Aus dem Englischen von Marie Rahn, Ullstein Verlag, Berlin 2022, 383 Seiten, €15,99, 978-3-86493-179-6
„Da sitzt er nun: ein Literaturdozent, dem es die Sprache verschlagen hat. Denn welche Worte er auch wählt, sie werden ihm im Mund verdreht, bis sie in Ellies Narrativ passen. Also gibt er ihr gar nichts. Jedes Mädchen, das mit ihm zusammen gewesen ist, hat sich von ihm angezogen gefühlt.“
Von Anfang an ist klar, in diesem abgelegenen Haus in Maryland in der Chesapeake Bay ist etwas Furchtbares geschehen. Blut auf dem Teppich und an den Wänden, zerfetzte Kleidung, ein Rollstuhl, eine Auto mit aufgeschnittenen Reifen und totales Chaos erzählen von einem Verbrechen.
Szenenwechsel, New York im tiefsten Winter. Ellie, die tolpatschige, sehr unordentliche, aber attraktive Studentin und ihr siebzehn Jahre älterer Freund, Steven, Literaturdozent, fahren ins lange Wochenende. Ellie hat das Haus gemietet und hofft, dass dieses Mal nichts ihre Pläne stört. Gut ein halbes Jahr ist sie jetzt mit Steven sehr glücklich liiert. Sie reden gern, wie kann es nicht anders sein, über Sylvia Plath und Dostojewskis „Dämonen“ als Vorboten des Unglücks. Ellie versucht, Steven alles recht zu machen und sie ignoriert seine Sucht, mehr Alkohol zu trinken als nötig, insbesondere, wenn es um Stevens erfolgreichen schreibenden Vater geht, der keine Gelegenheit auslässt, seinen Sohn als Loser bloßzustellen. Doch nun hat Steven mit vierzig Jahren endlich den Sprung an die Columbia University geschafft.
Natürlich fragen sich die Lesenden, was könnte zwischen diesen beiden Liebenden zu so einem tödlichen Ausgang des Wochenendes geführt haben. Anzeichen werden von der Autorin Laure Van Rensburg eingeflochten. Steven lässt sein Handy nie offen irgendwo liegen, am Strand wird er eine am Flügel verletzte Möwe töten. Eine SMS scheint ihn zu beunruhigen. Ellie hätte Connor schreiben sollen, verschiebt dies aber. Wer ist Connor? Was hat er vielleicht mit dem Wochenende zu tun? Und dann sind da noch diese Zwischentexte, die sozusagen anonym, die anderen sind mit Ellie als Ich-Erzählerin und Steven aus personaler Perspektive gekennzeichnet, von der mal mehr mal weniger Leidenschaft eines Mädchens oder Frau zu einem Mann erzählen.
Das moderne Haus in Maryland, ohne Handyempfang, ist großzügig mit Glas ausgestattet. Alles läuft bestens zwischen den beiden, doch scheint der dunkle Wald und seine Schatten, Ellie etwas zu irritieren. Steven amüsiert diese Ängstlichkeit, denn er fühlt sich immer als Beschützer der doch so sanften und sensiblen Geliebten. Steven wundert sich, dass er es mit ihr so lang ausgehalten hat, ja sogar plant, ihr einen Schlüssel für seine heilige Wohnung in Manhattan zu überlassen.
Dass die Gefahr für ihn nicht von außen kommt und Ellie durchaus keinen männlichen Schutz benötigt, erkennt Steven als er nach ein paar Drinks gefesselt im Rollstuhl sitzt.
In seiner Eitelkeit und Selbstbezogenheit kapiert er nicht, dass Ellie durchaus kein Spiel mit ihm spielen will. Er versteht auch nur sehr langsam, dass die Frau, die er da glaubt zu lieben, wenn er das wirklich kann, ein völlig anderer Mensch ist. Ellie hat strategisch dieses Wochenende geplant und begonnen hat sie damit vor drei Jahren. Sie wird ein Tribunal statuieren, Rache üben und vor allem von Steven fordern, sich selbst zu töten. Warum sie diese Form der Selbstjustiz wählt, soll nicht offengelegt oder gar gedeutet werden.
Die Lesenden fragen sich natürlich, warum hat Ellie den allseits beliebten Dozenten nicht angezeigt? Warum hat sie seine Verfehlungen, wenn sie Beweise hatte, nicht öffentlich gemacht?
Ist in den USA derjenige mit besten Kontakten, auch durch einen berühmten Vater, unantastbar? Sicher nicht.
Sprachlich überzeugend und vor allem psychologisch gut nachvollziehbar führt Laure van Rensburg ein Kammerspiel mit zwei Darstellern auf, die sich nichts schenken. Aus vermeintlicher Liebe wird nun abgrundtiefer Hass in einer eisig kalten, einsamen Umgebung, die nur feindlich sein kann.