Laura Spencer-Ash: Und dahinter das Meer, Aus dem Amerikanischen Englisch von Claudia Feldmann, Mare Verlag, Hamburg 2024, 368 Seiten, €25,00, 978-3-86648-702-4
„Doch Bea hat, ohne es zu ahnen, alles durchgerüttelt. Es ist, als hätte ihre Gegenwart das Gleichgewicht innerhalb der Familie verändert. Selbst Ethan hat sie ins Herz geschlossen.“
Ein Kind allein für eine kurze Zeit fortschicken, ist schwierig. Ein Kind aber über einen riesigen Ozean zu einer Familie reisen lassen und nicht wissen, wer sind diese Leute oder wann kann das Kind wieder zurückkehren, ist um so schwieriger. Die Londoner Millie und Reginald Thompson entscheiden 1940, dass sie ihre Tochter Beatrix zur Familie Gregory nach Boston fahren lassen. Die Gregorys sind nicht wohlhabend, obwohl sie ein Sommerhaus auf einer kleinen Insel in Maine besitzen. Ethan ist Lehrer von Beruf und Nancy kümmert sich um die Jungen. Als die zehnjährige Bea zu den Gregorys kommt, ist William vierzehn und Gerald zwölf Jahre alt. Das stille und sehr schüchterne Mädchen lebt in der Familie auf, genießt die Fürsorge von Nancy. Sie lernt von Ethan, vor dem sie zu Beginn ein bisschen Angst hat, das Schwimmen in Maine und sie hält den Kontakt zu den Eltern. Für die Gregorys ist die Sommerzeit auf ihrer Insel die wunderbarste im ganzen Jahr und auch Bea liebt bei allem Heimweh dieses Haus und das Meer. Das junge Mädchen verändert die gesamte Stimmung in der Familie Gregory. Allerdings glaubt Bea, dass ihre Mutter sie fortgeschickt hat, was beider Verhältnis immer belasten wird. Dabei war es die Idee des Vaters, der nur wollte, dass sein Mädchen Kind bleiben darf.
Jeweils aus der Sicht jeder Figur berichtet Laura Spence-Ash, die ihren Debütroman mit gut sechzig Jahren geschrieben hat, in der personalen Erzählform.
Über fast vierzig Jahre zieht sich die Handlung und verfolgt Beas Lebenswege, aber auch die der beiden Familien. Innerlich zerrissen wird Bea nach Kriegsende zu ihrer Mutter zurückkehren. Allerdings ist inzwischen ihr Vater an Herzversagen gestorben und die Mutter hat wieder geheiratet. Auch Ethan wird einem Herzinfarkt erlegen sein und Bea wird mit Nancy trauern. Beas Mutter fühlt sich ihrem Kind gegenüber schuldig und spricht bei jeder Gelegenheit schlecht über die Gregorys. Sie ahnt nicht, wie weit sie dies von Bea entfernen wird.
In Zeitsprüngen erfahren die Lesenden, wie die Familien in Boston und in London weiterleben und wie jeder seinen erwarteten oder ungewöhnlichen Weg findet und sich am Ende die Thompsons und die Gregorys doch noch vereinen.
Hochgelobt von der Kritik setzt gleich nach dem Öffnen des Buches, keine Frage, ein magischer Lesefluss ein, denn man will wissen, wie es dem Kind in der Fremde geht. Doch seltsamerweise entsteht keine echte Nähe zu den Figuren, keine emotionale Bindung beim Lesen, obwohl die atmosphärische Beschreibung der langen, unbeschwerten Sommer auf der Insel in Maine eine ganz andere Wirkung haben müssten.