Jan Weiler: Kühn hat zu tun, Kindler Verlag, Reinbeck bei Hamburg 2015, 320 Seiten, €19,95, 978-3-463-40643-5

„Ich habe Milchreis im Kopf. Dampfenden Milchreis, Gedankenschlieren.“

Hauptkommissar Martin Kühn, Leiter der Mordkommission, seit fünfundzwanzig Jahren im Dienst und gut 1.96 Meter groß, kann sich einfach nicht mehr konzentrieren. Seit einiger Zeit kann er keinen klaren Gedanken mehr zu Ende führen. Er kommt zu keinem Schluss, keiner Entscheidung. Quälend ist dieser Zustand. Steht er kurz vor einem Burnout?

Wenn Kühn sein Leben so Revue passieren lässt, dann fällt ihm auf, das momentan wirklich eine extreme Schieflage herrscht. Zum einen ist da der neue Staatsanwalt, der ihn mit seiner arroganten Haltung nervt. Auch bei seiner Gehaltsstufe ist nicht mehr viel zu machen und dabei müsste endlich ein neues Auto angeschafft werden. Endzeitstimmung. Und dabei wünscht sich seine Tochter, die siebenjährige Alina, seit kurzem innigst ein Pferd. Mit kindlicher Penetranz und geschickter Manipulation bearbeitet sie ihren Vater, wann immer sie ihn zu sehen bekommt. Mit seinem pubertierenden und sehr schweigsamen Sohn Niko hat Kühn schon lang nicht mehr gesprochen. Um so entsetzter muss er feststellen, dass sich Niko zu der rechten Bürgerwehr in seiner Siedlung hingezogen fühlt. Tetris-Siedlung nennt sich das neue Areal in der Nähe von München. Hier sind offensichtlich die Neubauten auf einem giftigen Boden, verursacht durch eine ehemalige Munitionsfabrik im Zweiten Weltkrieg, errichtet worden. Gut zwanzig Jahre arbeitet Kühn jetzt mit Thomas Steierer und irgendwie scheint sich dieser mit dem Staatsanwalt, der auch noch Hans Globke heißt, gemein zu machen. Auch darüber muss Kühn nachdenken.

„Kühn ließ Steierer herein, der nicht grüßte und gleich in die Küche ging. Zwischen Ehepartnern wird auch nicht dauernd gegrüßt. Da kommt man vom Einkaufen herein und stellt die Lebensmittel in den Kühlschrank, ohne sich vorher um den Hals zu fallen.“

Zum Glück hat Kühn einen freundlichen, hilfsbereiten Nachbarn, den ledigen Dirk, der ihm ab und zu seinen Wagen leiht und ein offenes Ohr für seine Sorgen hat.
Neuerdings ist ein kleines Mädchen, eine Freundin von Alina, Emily, in der Siedlung verschwunden. Und dann liegt auch noch eine Leiche gleich in der Nähe von Kühns Haus. Der 83-jährige Hermann Otto Beissacker wurde mit über dreißig Messerstichen geradezu qualvoll hingerichtet. Das Gedankenkarussell in Kühns Kopf rattert ununterbrochen. Er erinnert sich an den frühen Tod des Vaters, einen gerade gelösten Mordfall, in dem ein Enkel aus Geldgier den Großvater tötete und er registriert immer wieder aufs Neue seine Mitleidlosigkeit mit den Opfern. Irgendetwas stimmt nicht. Als die rechte Bürgerwehr dann nach Emilys Rückkehr den verschuldeten Griechen Kosmas Kolidis vor seinem Geschäft beschuldigen, rastet Kühn aus. Er will eigentlich nur Niko aus dem Mob der Rechten herausholen. Als er jedoch beleidigt und bespuckt wird, schlägt er einen der Anführer hart ins Gesicht. Natürlich wurde die Szene gefilmt und steht nun bei Youtube im Internet. Dieser Ausraster könnte Kühn die Karriere kosten und die Rentenbezüge.
Alles läuft aus dem Ruder.

Mit trockenem Humor und viel Empathie für seine Hauptfigur erzählt Jan Weiler eine spannende Kriminalgeschichte. Die Ursachen für Kühns Kopfkarussell liegen tief in seiner Kindheit verborgen und diese Erinnerungen, diese Bilder aus der Vergangenheit führen ihn dann zum paranoiden Täter.

Bei Jan Weiler lauert das Böse gleich um der Ecke, aber es ist nicht zu erkennen, so wie das Gift langsam in die Häuser zieht und alles zerstören könnte.