Jacinta Nandi: Single Mom Supper Club, Rowohlt Verlag, Hundert Augen, Hamburg 2025, 316 Seiten, €24,00, 978-3-498-00719-5

„Tamara und Kayla kriechen und schnüffeln durch Lexis neue Wohnung wie kleine Stasi-Spioninnen. Nee, ein bisschen mit zu viel Freude, um bei der Stasi zu sein. Zu viel reine, totale unverschmutzte kapitalistische Freude.“

Es ist kein Geheimnis, dass Alleinerziehende die ersten sind, die in die Armutsfalle tappen. Die alleinerziehende Protagonistinnen mit zahlenden wie nicht zahlenden Kindsvätern in diesem Roman wissen um die Gefahren und schließen sich zu Supper Clubs zusammen. Es wird gekocht, aber auch gegenseitig geholfen. Da ist die englische Rechtsanwältin Tamara Greenway, die mit ihren drei Kindern, Anna, Charlie und dem schwierigen Piper, der mit sieben Jahren über Selbstmord nachdenkt, in einer schönen Altbauwohnung lebt und hofft, dass sie ihr Sachbuch über Trennungsgewalt endlich zu schreiben beginnt. Sie ist aus London geflohen, weil die Mieten in Berlin irgendwann mal niedrig waren und sie ihren polnischen Ex-Mann Pavel, einen nutzlosen Junkie loswerden wollte. Doch dieser ist ihr gleich gefolgt. Ihren Unterhalt kann die leicht snobistische Mutter mit ihrer vermieteten Wohnung in Notting Hill gut bestreiten. Die zweite Engländerin im Single Mom Supper Club ist die attraktive, ein bisschen zu nuttig gekleidete, wie sexuell freigiebige Kayla, die Gelegenheitsjobs annimmt, mit ihrer Teenagertochter in der Platte in Neukölln lebt und mit Bürgergeld aufstocken muss. Und dann ist da noch die schreckliche Antje mit ihrem Kind aus Köpenick, die in der Nähe von Tamara wohnt. Sie arbeitet als Deutschlehrerin für Leute, die in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, spricht sie alles aus, was sie denkt und vor allem will sie, dass Kayla all ihre Jobs ordentlich beim Bürgeramt anmeldet. Alle hassen die strenge Antje, aber sie ist den Engländerinnen auch nützlich. Einmal in der Woche treffen sich die Alleinerziehenden nun zum Kochen und Quatschen.
Allerdings gibt es noch einen zweiten Supper Club, den sehr junge, seltsamerweise sehr wohlhabende deutsche Moms mit Kleinkindern und ohne Moral gegründet haben. Sie treiben sich auf Insta und wer weiß noch wo herum, um dort mit tausenden Followern angeblich Geld zu verdienen. Denn eines sind die jungen Alleinerziehenden auf gar keinen Fall: Loser. Wenn sie zu ihren gemeinsamen Essen einladen, dann bringt Lexi Koks mit, der, wenn die Kinder im Bett sind, konsumiert wird. Berlin ist nun der Schmelztiegel, in denen die sogenannten Freundinnen, die sich jedoch nichts schenken und schnell ins Streiten geraten, irgendwie zusammen halten. Lexi, die Frontfrau der jungen Mütter, will nun, dass Tamara und ihr Supper Club sich mit ihrem zusammentun. Allerdings würden sie gern auf Antje verzichten. Bei ihren Zusammentreffen beäugen die Frauen natürlich alles, was die Gastgeberin so zu bieten hat. In Lexis Luxuswohnungen, die angeblich als Influencerin und mit sogenannter Rich-Bitch-Lifestyle-Finanzberatung Geld verdient, fallen Geschmack und Reichtum auf und immer fragt sich Tamara, wovon diese junge Frau eigentlich wirklich lebt. Zu gern schwafeln die jungen Frauen vom Meditieren, veganer Ernährung und einer Selbstoptimierung, die einfach nur egoistisches Verhalten offenbart. Kayla hofft darauf, dass sie bald einen reichen, alten Mann kennenlernt, den sie dann beerben kann. Und Sad-Lina aus dem Club der jungen Frauen lebt in einer toxischen Beziehung mit so einem reichen Mann, der sie allerdings nur demütigt. In all ihren Gesprächen kreisen die Frauen um ihren zeitgemäßen wie eigenwilligen Wertekanon, wie sie nun ihre Kinder erziehen sollen, in welcher Steuerklasse sie sein möchten, als könne man sich das aussuchen, und wie sie demnächst so richtig reich werden. Tamara und Kayla hassen das Klischee über Engländer, die nicht kochen können. Aber auch die Engländerinnen ziehen gern über die Deutschen her, die in ihren Augen viel zu viele negative Seiten haben. Sie sind und bleiben, ob aus Ost- oder Westdeutschland stammend kleinliche Spießer und rassistische AfD-Wähler.

„Merken deutsche Frauen nie, wenn sie Hollywoodfilme gucken, dass das Verhalten der Antagonisten, der Bösewichte, eins zu eins mit allem, was in Deutschland sozial akzeptiert ist, übereinstimmt?“

Alle Konfrontationen mit deutschen Institutionen, ob Ergotherapeutin, Jugendamt oder Schule enden für Tamara oder Kayla in Katastrophen.

„Dies hier ist die Welt, in der wir leben, und Tamara will, dass es Anna besser gehen wird als ihr. Sie will, dass sie später so unsympathisch und unabhängig wie eine deutsche Frau wirkt, um einen richtig langweiligen deutschen Ehemann zu finden.“

Genüsslich und gnadenlos zieht die gebürtige englische Autorin Jacinta Nandi, die 2000 nach Berlin gekommen und geblieben ist, über ihre Landsleute, aber auch die Berliner und Brandenburger her. Vielleicht überspannt sie ja in bestimmten Szenen das sogenannte wahre Leben, indem eine Mitarbeiterin des Jugendamtes Pavel dazu rät, seine Kinder doch zum Übernachten in Obdachlosenunterkünfte oder zu Freunden mitzunehmen, um die Vater-Kinder-Beziehung zu stärken. Aber eigentlich könnte man dies auch für bare Münze nehmen, wenn man in Berlin lebt. Denn vieles geschieht in dieser Stadt, worüber man eigentlich nur den Kopf schütteln kann.
Jacinta Nandi entwirft für extrem unsympathische Figuren temporeiche, witzige Dialoge und sie hat ein Gespür für die Balance zwischen gewollter Ernsthaftigkeit und den besserwisserischen Oberflächlichkeiten, die eine durch die sozialen Medien geprägte junge Generation absondert. Leid tun können einem in dieser überdrehten Handlung eigentlich nur die Kinder.
Aber es ist ja nur ein Roman.