Isabel Bogdan: Wohnverwandtschaften, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024, 272 Seiten, €24,00,
978-3-462-00419-9

„Will ich eine zu teure Wohnung ohne Balkon und ohne Badewanne? Will ich womöglich lieber in einer WG bleiben, die sowohl Balkon als auch Badewanne hat? Und in der Murat wohnt, und Anke, die uns ein bisschen argwöhnisch beobachtet, und Jörg, von dem ich nicht sicher bin, ob er wieder in Ordnung kommt? Die ich alle ganz schön gern habe?“

Die WG soll für die Zahnärztin Constanze nur eine Übergangslösung sein. Getrennt von ihrem Partner Flo, dessen Lebensweise mit Haus, Garten und Fernsehabende ihr einfach zu langweilig wurde, bricht Constanze aus und scheitert sogar als Gutverdienerin bei der Wohnungssuche in Hamburg.
Immer im Wechsel erzählen über einen Zeitraum von fast zwei Jahren die WG – Mitglieder wie sie ihren Alltag wahrnehmen und sie bleiben im Präsens, damit die Lesenden ganz nah dabei sind.
Dem nicht mal siebzigjährigen Jörg, einst als Journalist tätig und bereits auf dem Sprung zu einer Reise nach Georgien, gehört die Wohnung. Hier hatte er einst mit seiner viel zu früh verstorbenen Frau Brigitte gelebt. Sein Sohn Sebastian ist nach Frankreich zu seiner Frau gezogen.
Der Deutsch-Türke Murat ist die Frohnatur in der WG, er kocht gern, kauft ein und verbreitet gute Laune. Anke hat mit ihren dreiundfünfzig Jahren als Schauspielerin, die einst gut im Geschäft war, kaum mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie kann ihre Miete nicht zahlen, was Jörg nichts ausmacht.
In diese Schicksalsgemeinschaft, in der alle ohne festen Partner oder Partnerin leben, platzt nun Constanze, deren Eltern voller Sorgen und üblichen Vorurteilen auf die neue Wohngemeinschaft der Tochter herabsehen. Als Jörg dann nach einer Blinddarmoperation immer schusseliger wird, sein Auto nicht mehr findet und auch sonst vieles vergisst, schieben Anke, Constanze und auch Murat, nicht mehr alles auf die Nachwirkungen der Narkose. Sie machen sich Sorgen und lassen Jörg nicht mehr allein.
Allerdings mischt sich in die eingeschworene Gemeinschaft auch Missstimmungen, denn Murat und Constance sind sich wohl in Murats Garten sehr nah gekommen. Constanze spielt kurz mit dem Gedanken, doch auszuziehen, zumal ihr eine Praxis angeboten wurde. Aber zu diesem Zeitpunkt sind alle bereits dermaßen verbunden, dass sie sich mittlerweile „wohnverwandt“ fühlen und einander einfach nicht im Stich lassen können. Und Jörgs Gesundheitszustand verändert sich im Laufe der Zeit in rasendem Tempo, was wirklich überrascht und traurig stimmt.
Familie ist nicht immer alles, Freundschaft zählt genau so und ist auch noch bewusst gewählt. Sprachlich völlig unaufgeregt taucht man in den unspektakulären Alltag der vier Menschen ein und bleibt gern an ihrer Seite in der Hoffnung, dass alles vielleicht doch noch gut wird.