Elin Hilderbrand: Inselglück, Aus dem Englischen von Almuth Carstens, Bloomsbury Verlag, Berlin 2012, 464 Seiten, €19,90, 978-3-8270-1058-2

„Sie war gesprungen, ohne zu wissen, wie tief der Abgrund war oder was passieren würde, wenn sie unten ankamen.“

Sie war eine von den superreichen Frauen, die in New York in der Park Avenue ein Penthouse besaß, diverse Häuser an den schönsten Orten der Welt ihr Eigen nannte, selbstherrlich zu Benefizveranstaltungen einlud und das Leben in all seiner Pracht genoss. Aber das Blatt wendete sich nach gut 30 Jahren Ehe mit Freddy Delinn, dem Anlagebetrüger, der für seine kriminellen Vergehen zu 150 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Meredith wird nun zur gejagten Unperson, sie ist die Ehefrau eines Mannes, der die Existenz von unzähligen kleinen und großen Investoren auf dem Gewissen hat. Sie wird, wenn sie nicht nachweisen kann, dass sie mit den illegalen Transaktionen ihres Mannes nichts zu tun hat, ins Gefängnis gehen, genauso wie ihr 26-jähriger Sohn Leo.
In ihrer Not, alle bisherigen Freunde und Freundinnen haben sich von Meredith kommentarlos oder wenn sie Geld verloren haben, voller Hass, abgewandt, ruft sie Connie, ihre Freundin seit Kindertagen, an. Allerdings hat sie mit Connie nach einem heftigen Streit über Freddys Geschäftsgebaren seit drei Jahren nicht mehr geredet.
Connie bringt es nicht fertig, die öffentlich an den Pranger gestellte Freundin abzuweisen und nimmt sie für den Sommer in ihr Haus auf der Insel Nantucket mit.

In Rückblenden fächert Elin Hilderbrand nun die Leben der beiden Frauen auf, mal aus der Sicht von Connie und dann wieder aus der Perspektive von Meredith.
Müssen Connie und Meredith ihre Probleme im Inneren des Hauses lösen, so bahnt sich von außen Gefahr an, denn jemand beginnt die beiden Frauen und speziell Meredith, zu tyrannisieren.
Als Connies Haus neongrün mit dem Wort „Verbrecher“ beschmiert wird, lernt sie Dan kennen. Er teilt mit ihr das Schicksal, einen geliebten Ehepartner durch die qualvolle Krankheit Krebs verloren zu haben. Connie vermisst aber nicht nur Wolf, ihren verstorbenen Ehemann, sondern auch ihre egozentrische Tochter Ashlyn, die sich nach der Beerdigung abrupt von der Mutter abgewandt hat. Auch Dans ältester Sohn verhält sich nur ablehnend nach dem Tod der Mutter.

Nach und nach entblättert sich vor dem inneren Auge des Lesers auch der Lebenslauf von Meredith. Sie erinnert sich an ihren geliebten Vater, den angesehenen Anwalt, ihre erste, unglückliche Liebe zu Toby, den älteren, verantwortungslosen Bruder von Connie, ihre fast symbiotische Bindung an den stets sich unter Kontrolle habenden Freddy und seinen kometenhaften Aufstieg als Wirtschaftsexperte, der die Börsenaufsicht offenbar über Jahre hinweg geschickt täuschen konnte. Freddy, eher aus einfachen, ärmlichen Verhältnissen stammend, bewundert Meredith, ja vergöttert sie; so der Eindruck nach außen. Doch Freddys beruflicher Beginn enttäuschte Meredith. Sie arbeitete als Lehrerin in einer heruntergekommenen Gegend und musste ihre Kinder fremdbetreuen lassen. Als sie zum dritten Mal schwanger ist, beschließt sie mit beiden Söhnen zu ihren Eltern zurückzukehren, wenn sich nichts in ihrem Alltag ändern würde. Und Freddy beeindruckt sie durch eine gewaltige Verbesserung ihrer finanziellen Lage.
In dem Glauben, dass alles Geld, das Meredith ausgibt, auch ihr gehört, folgen nun Jahre der Unbeschwertheit und des familiären Glücks.
Nach dem Zusammenbruch von Delinn Enterprise sucht das FBI nun nach den verschobenen Milliarden und Codewörtern, um die Gelder im Ausland zu finden. Meredith wird ihren Kopf nur aus der Schlinge ziehen können, wenn sie kooperiert und sich den Tatsachen stellt.
Und dann stellt sich auch noch heraus, dass Freddy eine über sechs Jahre dauernde Liebesbeziehung zu seiner Innenarchitektin hatte. Meredith will nun Antworten von Freddy. Er jedoch hat sich dazu entschlossen, mit niemandem zu reden.
Meredith fragt sich, mit wem sie eigentlich über eine so lange Zeit zusammengelebt hat und zweifelt immer mehr an ihrer eigenen Wahrnehmung.

Elin Hilderbrandt psychologisiert nicht, ihre Figuren geben sich über ihr Handeln zu erkennen. Sie ist eine geduldige Erzählerin, die nach und nach die Konflikte und auch Geheimnisse der beiden Frauen lüftet und Lösungen findet.