Ines Calic: Commissaria Iva Markulin und Die Schatten über der Adria, Ein Istrien – Krimi, Rowohlt Verlag, Polaris, Hamburg 2025, 398 Seiten, €17,00, 978-3-499-01697-4
„Iva wusste, dass Gesetze in Kroatien in der Praxis mitunter nicht das Papier wert waren, auf das sie gedruckt wurden.“
Ines Calics Kriminalroman beginnt sofort mit einer heftigen Explosion. Als die Staatsanwältin und erfolgreiche Mafiajägerin Iva Markulin mit ihrem Mann Igor in Pula nach einem Restaurantbesuch zum Auto gehen, fliegt dieses durch eine Autobombe in die Luft. Igor Markulin, der Leiter der Ermittlungsabteilung gegen Korruption und organisierte Kriminalität in Pula, verliert sein Leben. Kurzerhand beschließt Iva, die in Zagreb arbeitet, in diesem heißen Sommer nach Pula zu wechseln, um den Tod ihres Mannes aufzuklären. Allerdings schafft sie dies nur, weil sie bestens mit dem künftigen Justizminister, Viktor Rodin, verbandelt ist. Sie kann mit ihrem sechsjährigen Sohn Matteo in Terra Rossa bei ihrem dreiundneuzigjährigen Großvater Nicola Pavić wohnen, der einst bei den Partisanen gegen die italienischen Faschisten kämpfte und der Legende nach, Tito das Leben rettete. Als Besitzer eines Olivenhains hatte er immer gehofft, dass seine Tochter alles übernehmen würde. Doch Iva, die bei der örtlichen Polizei keine Freunde hat, will Gerechtigkeit, keine Rache. Sie muss herausfinden, woran ihr Mann gearbeitet und sich somit Feinde gemacht hat, die vor nichts zurückschrecken. Gemunkelt wird von einer Brüderschaft, genannt Bratstvo, bis in die höchsten Kreise. Als dann auch noch Alija Karahansan, ein sehr junger Polizist und Assistent von Iva, nach einer Zeugenbefragung ermordet wird, ist Iva klar, dass sie in ein Wespennest gestoßen hat. Iva nutzt ihre prominente Stellung und die Bekanntschaft mit dem Wirtschaftsanwalt Lorenzo Kos, um bei Partys einflussreiche Leute in Pula kennenzulernen. Unter ihnen befindet sich der Bauunternehmer Brane Leskovar, der Iva ganz unverhohlen eine Villa am Meer anbietet. Auch die Banka Battaglia, bei der Igor, was Iva nicht wusste, ein Aktiendepot hatte, bietet sich gleich als Kreditgeberin an. Dass die neuen Bauvorhaben in einem Naturschutzgebiet sind, scheint von allen behördlichen Seiten abgesegnet. Für die Region Istrien zwischen Italien und Kroatien spielt der Tourismus die allergrößte Rolle und so versucht der Bürgermeister auch alles von der Presse fernzuhalten, was zahlende Kundschaft verschrecken könnte. Aber auch Iva kommt nicht voran. Mit dem schwierigen, wie kompromisslosen Polizisten Miroslav Baban an ihrer Seite, beginnt sich Iva durch die Akten ihres Mannes zu arbeiten. Als der Staatsanwalt Horvath in Pension geht, widersetzt er sich dem Justizminister und gewährt Iva erste Durchsuchungen, z.B. in der Banka Battaglia. Doch auch auf Ivas Leben gibt es Anschläge und auf das Leben von Babans Lebensgefährtin Elea Jovanović, die für den Umweltschutz arbeitet. Und letztendlich wird auch Ivas Sohn Matteo entführt, um Iva zu erpressen.
So traumhaft schön, wie Ines Calic, ihr Istrien landschaftlich beschreibt, so korrupt und skrupellos scheinen diejenigen zu sein, die das EU-Land wirtschaftlich eigentlich voranbringen sollten.
Die Autorin, die in Berlin, Paris und Istrien aufwuchs, verwebt in ihrer temporeichen, seriös recherchierten Handlung die wechselvolle Geschichte des Landes bis hin zu den gegenwärtigen mafiösen Strukturen, die Kroatien als Reiseland nicht sonderlich zuträglich sind.
Mit Iva Markulin hat Ines Calic eine ambivalente Hauptfigur geschaffen, die durch ihren Mut, aber auch ihren cleveren Umgang mit den Mächtigen Licht ins Dunkel bringen wird.