Lynda Mullaly Hunt: Ich habe mich so leicht gefühlt, Aus dem Englischen von Renate Weitbrecht, cbt, München 2015, 265 Seiten, €12,99, 978-3-570-16408-2

„ Ich glaube, er würde mich am liebsten zu einem Paket zusammenschnüren und sonst wohin schicken, wenn er könnte. Ich beobachte, wie er sich das Baseballspiel ansieht.“
Carley Connors hat eine schwere Zeit hinter sich. Zusammengeschlagen von ihrem Stiefvater lag Carley wie ihre Mutter schwer verletzt im Krankenhaus und lebt nun, vermittelt durchs Jugendamt, bei der Familie Murphy in Connecticut als Pflegekind. Mrs. Murphy, einst selbst ein Pflegekind, hatte die Idee, trotz ihrer drei Jungen, ein Kind aufzunehmen. Eigentlich hatte sie auf einen Jungen gehofft, aber nun sitzt die verbitterte Carley in ihrer Wohnung. Wie geht man mit einem traumatisierten Kind um? Niemand scheint mit Mrs. Murphy gesprochen zu haben, aber eigentlich ist das auch gar nicht notwendig, denn sie versucht alles, um dem Mädchen ein Zuhause zu bieten. Die beiden kleinen Jungen der Murphys, Adam und Michael Eric, schließen Carley sehr schnell in ihr Herz. Sie spielt mit ihnen Superhelden-Spiele und lässt sich schnell auf ihre direkte Art ein. Der älteste Sohn, Daniel, dagegen kann Carley vom ersten Moment nicht ausstehen. Er empfindet sie als Eindringling, als Konkurrentin, denn er spürt die Zuneigung der Mutter zu dem neuen Mädchen. Aber Carley macht es gerade Daniel, aber auch den Pflegeeltern sehr schwer. Mr. Murphy ist als Feuerwehrmann nicht oft zu Hause, aber auch bei ihm spürt und hört sie hinter verschlossenen Türen seine Bedenken.
Nach und nach versteht der Leser, wie Carley bisher in Las Vegas gelebt hat. Ihre Mutter hatte wenig Geld, das heißt Carley musst sich abgelegte Sachen aus den Kleidercontainern suchen. Regelmäßiges Essen, eine liebevolles Zuhause – nichts von dem hat das Kind je erlebt. Sie durfte nie weinen, denn wer weint, so Carleys Mutter, ist schwach. Und am allerschlimmsten ist, dass Carley sich selbst die Schuld gibt für den gewalttätigen Übergriff auf sich und ihre Mutter. Sie hatte den neuen Mann der Mutter provoziert, ganz bewusst. Als er dann jedoch nach Carley greifen will, läuft sie fort. Die Mutter hält sie fest, damit ihr Mann so richtig zuschlagen kann. Ein Alptraum! Eine Erinnerung, die für Carley nur verschwommen ist.

Carley, sie ist auch die Ich-Erzählerin, beißt sich nun durchs Leben. Nach und nach lässt sie Mrs. Murphy an sich heran. Sie hilft im Haushalt, sie geht in die Schule und findet sogar eine Freundin. Aber Carley, die in der Schule gute Noten schreibt, traut sich nicht zu sagen, das sie ein Pflegekind ist. Zum einen liebt sie diese familiäre Atmosphäre, zum anderen will sie ganz normal sein, so wie alle anderen. Dabei bemerkt sie nicht, dass gerade ihre Freundin Toni zwar eine Mutter und einen Vater hat, aber diese sich um alles kümmern, nur nicht um sie.
Dann meldet sich Carleys Mutter und das Mädchen weiß, dass sie zurück muss in ihr altes Leben. Auf die Mutter, die nun in der Reha ist, wirkt Carley sehr fremd.
In Wahrheit hat Carleys Mutter sie nur kurzzeitig festgehalten, dann aber beschützt. Und doch Carley kann den Trennungsschmerz von den Murphys nicht ertragen. Immerhin kommt sie nun auch gut mit Daniel und Mr. Murphy aus. Sie ist ein starkes Kind, mit Humor und viel Kraft.

Etwas zu sentimental und Tränen lastig gerät das letzte Kapitel und doch leidet der Leser mit dem Mädchen mit, das eigentlich nicht so genau weiß, was ihm, auch wenn der Stiefvater vor Gericht muss, jetzt ohne die Murphys bevorsteht.
Die innige Liebe von Mrs Murphy wird Carley helfen, alles zu überstehen.\r\nVielleicht ist gerade das Bild der liebevollen Familie, die zusammenhält und einem Pflegekind vieles geben kann, ein gutes Gegenbild. Wie stark die Sehnsucht der Kinder gerade nach einem heilen Zuhause ist, wird gerade in dieser Geschichte sehr deutlich.