Harlan Coben, Reese Whitherspoon: Ohne ein letztes Wort, Aus dem Amerikanischen von Thomas Bauer, Charlotte Breuer, Gunnar Kwisinski, Friedo Leschke, Kristian Lutze, Goldmann Verlag, München 2025, 432 Seiten, €17,00, 978-3-442-20688-9
„Das Ganze fühlt sich ein bisschen bedürftig und traurig an. Diese Menschen sind wohlhabend und erfolgreich und mächtig, sie haben alles, aber es ist nicht genug. Und das ist das Problem. Es ist nie genug. Das liegt an der menschlichen Natur. Man gewöhnt sich an jeden Luxus. Wie sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat, sind selbst die reichsten Männer auf der Welt nie zufrieden, egal, wie viel Geld, Macht, Luxusjachten, Frauen, Nachkommen, Bewunderung oder was auch immer sie bekommen.“
Amerikanische Tech – Milliardäre oder russische Oligarchen, alle sorgen sich um ihr eigenes, kleines, endliches Leben. Sie scheuen die Öffentlichkeit oder schicken, wie gemunkelt wird auch Wladimir Putin, ihre Doppelgänger in die Arena. Doch was könnte sie unsterblich machen? Peter Thiel will im Gegensatz zu Elon Musk nicht ins Weltall abdüsen, er lässt in seinem abgeschotteten Universum sicher schon an innovativen medizinischen Eingriffen forschen, die die Leben der Superreichen auf Kosten der armen Bevölkerung verlängern. Kein Geheimnis.
Möglicherweise regten diese mittlerweile bekannten Informationen das Autorenduo Coben / Witherspoon zu ihrem Thriller an. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die auf plastische Chirurgie spezialisierte Ärztin Maggie McCabe, die hochverschuldet bei ihrer Schwester Sharon, einem Technikgenie, in Baltimore lebt. Vor kurzem wurde ihr Mann, Marc Adams, ebenfalls Arzt, durch einen mörderischen Angriff auf ein Flüchtlingslager in Nordafrika getötet. Gemeinsam hatten sie die Wohltätigkeitsorganisation WorldCures Alliance mit dem dritten Arzt im Bunde, Trace Packer, der verschwunden ist, gegründet. Der Schmerz um den Verlust ihres Mannes hat Maggie völlig aus der Bahn geworfen und ihr Tablettenmissbrauch hat dazu geführt, dass sie ihre Approbation verloren hat. Ein finanziell unglaublich lukratives Angebot kann Maggie nicht abschlagen und so landet sie per Privatjet bei einem steinreichen Oligarchen, dem über sechzigjährigen Oleg Ragorawitsch. Im russischen Hinterland besitzt dieser eine pompöse Villa mit OP-Saal und allem, was sie für chirurgische Eingriffe benötigt. Seiner vierundzwanzigjährigen, bildschönen Geliebten, Nadia Strauss, soll Maggie, was sonst, die Brüste vergrößern und bei Oleg, der allerdings nicht der echte Oligarch ist, sondern ein Doppelgänger, was Maggie erst später versteht, sollen auch bestimmte Änderungen im Gesicht vorgenommen werden. In einer hanebüchenen Geschichte kann Maggie durch die Hilfe von Nadia nach den Operationen, Ragorawitsch ist plötzlich verschwunden und wurde offenbar getötet, ihrer Ermordung entgegen. Über verschiedene Stationen, u.a. in Dubai landet Maggie in Südfrankreich auf einem Weingut mit unterirdischem erneuten OP-Saal nun aber beim echten Ragorawitsch. Nadia offenbarte Maggie, dass sie auf der Suche nach Trace Packer ist, den sie in Nordafrika kennengelernt hat und beide doch heiraten wollten. Aus sehr armen Verhältnissen aus Libyen stammend hat sie ihre Niere gespendet, damit ihre Familie ein gutes Leben in den USA führen kann. Nadia wollte unbedingt den Kontakt zu Maggie, doch auch sie ahnt nicht wo Trace stecken könnte. Hinzu kommt noch, dass sich herausstellt, dass der Finanzgeber für WorldCures Alliance Oleg Ragorawitsch war, um durch Leistungen der Organisation sein Geld zu waschen.
Geldwäsche, Organhandel, Korruption, Auftragsmorde – in diesem Roman wird nichts ausgelassen. Dann rückt auch noch der amerikanische Geheimdienst an und Lesende müssen wirklich aufpassen, wer nun wo sein Handy wegwirft, da natürlich alle getrackt werden können. Da Maggies Schwester technisch auf der Höhe ist, hat sie für die trauernde Schwester einen Deadbot, einen sprechenden Avatar gebastelt. Der humanoide KI-Marc ist nun als Ratgeber eine gewisse Zeit an Maggies Seite und warnt sie natürlich, nicht in den Hubschrauber einzusteigen, deren Insassen die ahnungslose Maggie während des Fluges in die Tiefe stoßen könnten. Völlig analog hingegen lebt Marcs Vater, Rächer und Gutmensch, den alle Porkshop nennen und der eine Vorliebe für Motorräder hat. So aufgesetzt, gewollt originell und absolut unglaubhaft wie diese Figur sind auch alle anderen gezeichnet. Sagenhafter Reichtum, das ist auch kein Geheimnis, spaltet eine Gesellschaft. Was Oligarchen wie der richtige Oleg Ragorawitsch mit all seinem Geld anstellen kann, mag man sich gar nicht vorstellen. Wobei man eher hofft, dass die Sanktionen gegen diese skrupellosen Menschen aufgrund des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine endlich mal greifen.
Sehr konstruierte Handlung mit Anlehnungen an aktuelle Trends, wie die sich rasend schnell entwickelnde KI.