Kari Ehrhardt: Giraffen in Finnland, Carlsen Verlag, Hamburg 2014, 284 Seiten, €14,00, 978-3-551-58277-5
„Aber schon stellte ich mir vor, wie die monstermöpsige Miniheilerin mit den langen, blonden Haaren ihren Elfenprinzen mit einer Ork-Killer-Axt enthaupten, ihn vierteilen und dann ihrem persönlichen Haustierdrachen vorwarf. Konnte man online sterben?“
Die 15-jährige Finn liebt ihr Skateboard, die Männer-WG ihres Vaters und vor allem ist sie glücklich darüber, dass sie eine Freundin in Collie gefunden hat. Beide sehen zwar, wenn sie zusammen sind, etwas komisch aus, aber das stört weder Finn noch Collie. Collie ist mit ihren 1.83 ziemlich groß und ähnelt mit ihrem langen Hals in ihrer Statur einer Giraffe. Die jungenhafte Finn, aus deren Sicht auch erzählt wird, ist eher klein wie ein Zwerg und schmal gebaut.
„Aber unter meiner Wäsche war ich ein Mädchen. Nackt, blass und irgendwie verletzlich. Ähnlich wie ein Litschi. Die Dinger sehen von außen auch hart und cool aus. Und wenn man die Schale abkratzt, sind sie klein, weiß und weich und nicht gerade perfekt.“
Als Dennis Finn abserviert, weil sie bei seinen Annäherungsversuchen einfach lachen muss, ist sie nicht lang traurig. Beziehungen sind ihr sowieso suspekt. Immerhin ist sie das Ergebnis eines One-Night-Stands von Marion, ihrer chaotisch-peinlichen absolut unpraktischen Mutter und Marc. Marion scheint nicht von diesem Planeten zu sein, denn sie verehrt Mr. Spock aus der Serie Enterprise und ist ständig lamentierend auf der Suche nach Mr. Right. Dazu arbeitet sie als Urologin, hat ständig mit entblößten Männern zu tun und redet auch noch gern darüber. Marc dagegen ist eher ein ruhiger Typ, der Thriller schreibt. Und dann ist da noch der fiese Max, der Halbbruder von Finn, der, und darauf ist das Mädchen extrem eifersüchtig, sich in der Männer-WG ihres Vaters breit machen darf. Für Marc dreht sich immer alles um Max, nicht einfach für Finn. Aber Finn II, der Sohn von Lothar aus der WG, ist dafür Finns Wahlbruder, der jedoch mehr als geschwisterliche Gefühle für sie im Laufe der Zeit entwickelt hat.
In schlagfertigen Dialogen lässt die norddeutsche Autorin Kari Ehrhardt nun Finn erzählen, was geschieht, als sich Collie auch aus Sehnsucht nach einer Beziehung im Online-Spiel Xtratopia verliert. Hier kann sie eine kleine vollbusige Elfe sein, die auch noch heilende Kräfte besitzt. Sie begegnet Crow, dem Prinzen ihrer Träume und verliebt sich unsterblich in eine virtuelle Figur. Finn wagt es nicht, Collie darauf hinzuweisen, dass alles Einbildung ist. Niemand weiß genau, wer hinter diesem Crow steckt. Aber Collie verdrängt alle Bedenken und lässt sich sogar, virtuell versteht sich, auf die erste Nacht mit Crow ein. Für Collie ist es die große Liebe.
Als Finn mit Mutter Marion, ihrem neuen Doktor-Freund und dessen abgehobener Tochter Rhena nebst Freundin und Männer-WG in den Oster-Urlaub nach Dänemark reist, schließt sich die total verliebte und überdrehte Collie an, denn dort gibt es zum Glück WLAN. Doch dann beginnt das wahre Chaos, denn Finn entdeckt, wer der wirkliche Crow ist. Sie hat keine Ahnung wie sie die wahre Identität Crows ihrer Freundin klar machen soll. Und Finn, die immer alles managt erkennt, dass sie innerhalb ihrer Riesenfamilie niemanden zum Reden hat.
Fazit der Geschichte, nicht nur im virtuellen Raum gibt jeder vor etwas anderes zu sein. Auch im wahren Leben sind Täuschungen immer wieder möglich.
Marc ist der knallharte Thriller-Autor, der eigentlich noch heimlich Mädchen-Pferde-Romane schreibt, um über die Runden zu kommen. Finns Mutter spielt die verantwortungsvolle Ärztin ihrem neuen intellektuellen Lover vor, das mag sie auch sein, aber im Leben ohne Arztkittel ist sie unordentlich, oberflächlich und völlig haltlos.
Finn bleibt eigentlich immer sich selbst treu, kann sich aber auch nicht überwinden, ihrer besten Freundin die Meinung über ihr weltfremdes Verhalten zu sagen.
Bei aller Alltagskomik wirken die Erwachsenen, insbesondere die Mutter von Finn, zwar unterhaltsam aufgrund ihres pupertären Verhaltens, aber inhaltlich überzeugt es kaum.
Klar formuliert ist die Kritik an den Scheinwelten, in denen Jugendliche durch Online-Spiele hinabtauchen. Eine Spur weniger aufgesetztes Erwachsenenbenehmen und mehr Tiefe bei den wirklichen Konflikten, die zwischen den Freundinnen – trotz simplem Freundinnen-Test – auszutragen wären, hätten dem Roman gut getan.
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