Christina Hesselholdt: Gefährten, Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein, Carl Hanser Berlin, Berlin 2018, 448 Seiten, €25,00, 978-3-446-26042-9
„Ich würde mich gern noch einmal im Leben verlieben dürfen, nur ein einziges Mal; mich vom Leben erobern lassen und den Abgrund spüren.“
Die Gefährten, Alma, Kristian, Alwilda, Edward, Charles und Camilla, stehen in der Mitte des Lebens, sie leben in Kopenhagen, haben sich eingerichtet, scheuen eher Konflikte und müssen sie doch erleben. Für sie halten die kommenden Jahre eher Krankheiten, körperliche Veränderungen und Einsamkeit bereit. Als Intellektuelle reisen sie durch England, um die Häuser von Wordsworth und seiner Schwester Dorothy, der Brontë-Schwestern, von Virginia Woolf und Sylvia Plath zu besuchen. Alma beschreibt ihre Eindrücke und spürt gleichzeitig ihre Handlungsunfähigkeit, ihren Dämmerzustand, in dem sie eigentlich ihren Mann Kristian nicht mehr ertragen kann. Und doch kann sie sich nicht trennen bis sie sich durchringt, den Schritt zu tun und sich wie im freien Fall befindet. Das stabile, glückliche Leben in der Zweierbeziehung scheint allen nicht gegeben und das zieht sich wie ein Faden durch die Handlung, denn Alwilda war mit Edward liiert und auch Charles und Camilla werden sich trennen. Nicht ganz so leicht ist der Einstieg in diesen doch handlungsarmen Roman, der jedoch vieles aufgreift, was erfahrene Leser und politisch denkende Menschen beschäftigt.
Alle Figuren der dänischen Autorin Christina Hesselholdt kommen ausufernd aber sprachlich durchaus aufregend zu Wort, erzählen in Monologen von ihren Tagesereignissen, ihren Beobachtungen, ihrer Lektüre, ihrer Einstellung zum Dasein und der Furcht vor dem Tod. Fast hilflos dem Leben gegenüber wirkt Edward, der nun wieder im Haus seiner Eltern lebt und sich einen Hund anschafft. Als seine hochbetagten Eltern ihren Sohn zum Essen eingeladen hatten, konnte dieser nicht ahnen, dass sie sich beide getötet hatten und von ihm gefunden werden wollten.
Camilla geht mit ihrem Mann in den Puff und treibt Milieustudien, man ist in Belgrad und besucht Buchmessen, veröffentlicht Bücher, ist belesen. Finden sie die Kraft eher in der Freundschaft, so nervt Alwilda eher die Wehleidigkeit und Unentschlosssenheit Almas, die bei ihr nach der Trennung untergekommen ist. Was bleibt ist aber letztendlich die Freundschaft, die alle mehr oder weniger verbindet. Ein Auf und Ab der Paarbeziehungen wechselt mit den Beobachtungen und Erinnerungen an Tage wie dem 11. September 2001 oder Reflexionen über die Bücher von Virginia Woolf und Sylvia Plath, deren Domizile Camilla und Alma als hingebungsvolle Fans heimsuchen. Auch Iris Murdoch, Thomas Bernhard, Vladimir Nabokov und John Fowles. Abgelaufen ist das Modell der heilen Familie, in der es das Elternpaar bis zum seligen Ende schafft und Kindern, die die Eltern betrauern. Bestand jedoch haben die Gefährten, die alles ja auch irgendwie kennen und verstehen.
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