Stephen King: Finderlohn, Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt, Heyne Verlag, München 2015, 544 Seiten, €22,99, 978-3-453-27009-1
„ Als Pete jünger war, hat er die Notizbücher lediglich als vergrabenen Schatz betrachtet. Als seinen Schatz. Inzwischen weiß er es besser, nicht nur weil er sich in John Rothsteins boshafte, lustige und manchmal unglaublich bewegende Prosa verliebt hat.“
1978 – eine entlegene Farm in New Hampshire. Drei Männer dringen ins Haus ein und töten den bekannten Autor John Rothstein, der in den 1960er Jahren seine Trilogie über Jimmy Gold veröffentlicht hat. Bevor Rothstein stirbt, führt er einen Dialog mit einem der Kriminellen. Es ist Morris Bellamy, gerade aus der Jugendstrafanstalt entlassen und ein literarisch interessierter Psychopath. Morris ist über das Ende des dritten Bandes wütend und versucht mit seiner Literaturkritik auf Rothstein Eindruck zu machen. Aber dieser verhöhnt ihn nur und provoziert so seine Hinrichtung.
Die Einbrecher öffnen den Safe, nehmen das Geld und 165 Notizbücher aus der Reihe Moleskine mit. 18 Jahre hat Rothstein an zwei Fortsetzungen seiner Roman-Reihe geschrieben. Aber Morris wird diese Notizbücher nicht lesen, denn nachdem er seine Komplizen erschossen hat und in seinem Heimatort seinen Kumpel Andrew Halliday aufgesucht hat, weiß er, er muss die Beweisstücke für eine bestimmte Zeit verschwinden lassen. Halliday, der von seinem eigenen Buchladen träumt, kann nicht fassen, dass sein Freund diese Tat begangen hat. Er weiß auch, wie heiß die Ware ist.
Morris geht für eine Vergewaltigung 38 Jahre in den Knast. Für den skrupellosen Mörder, der nie für seine Taten belangt wird, dreht sich alles nur um die Literatur und das Schreiben. Im Gefängnis wird er, auch um sich vor sexuellen Übergriffen zu schützen, für die Häftlinge, gut formulierte Briefe nach Hause senden.
Inzwischen hat die USA die Wirtschaftskrise ereilt. 2009 wird sich Tom Saubers im City Center nach Arbeit anstellen und von Hartsfield, der in die Menge rasen wird, angefahren. „Mr. Mercedes“ heißt der Vorgängerroman von „Finderlohn“, dessen Handlung aber für sich steht.
Tom Saubers Familie leidet unter den Folgen der Arbeitslosigkeit. Die permanenten Streitereien zwischen den Eltern belasten die Kinder, Pete und Tina. Sie spüren, dass ihre Familie bald auseinanderbricht. Und dann geschieht das Wunder. Pete findet das von Morris vergrabene Geld und die Notizbücher, denn die Saubers wohnen in seinem ehemaligen Elternhaus. Pete ahnt, dass seine Mutter dieses Geld nie annehmen würde und so schickt er der Familie jeden Monat ca. 500 Dollar per Post. Diese edle Tat rettet die Familie und langsam erholt sich auch der Vater von seinen Verletzungen, findet wieder Arbeit. Aber die Geldquelle ist irgendwann versiegt und Pete, der ebenfalls ein belesener Schüler ist, erkennt welchen „Schatz“ er noch gefunden hat, den Nachlass des ermordeten Autors, der in einer Reihe mit John Updike genannt wird.
Ausgerechnet dem schmierigen Andrew Halliday, der nun wirklich ein Antiquariat, aber einen miesen Ruf hat, bietet der nun 17-Jährige als James Hawkins die Notizbücher an. Der Händler soll Kontakte zu Sammlern knüpfen und einen guten Preis aushandeln. Fast zeitgleich wird Morris entlassen und hat nur eins im Sinn, die Notizbücher.
Und jetzt kommt Bill Hodges ins Spiel, ein Kriminalbeamter im Ruhestand, der einfach weiterarbeiten muss.
Schon lange Zeit ahnt Petes Schwester Tina, dass ihr Bruder der „Schutzengel“ der Familie ist und hinter der Geldgeschichte steckt. Sie hat Angst um ihren Bruder, denn dieser ist in letzter Zeit extrem nervös und verschwiegen. Pete und Morris werden sich gegenüberstehen und eins ist klar, Pete will auf gar keinen Fall dem unberechenbaren und brutalen Morris seinen „Schatz“ kampflos überlassen.
Dramaturgisch genial, unterschwellig sehr brutal und vor allem äußerst spannend liest sich dieser Roman von Stephen King über die Liebe und Leidenschaft zur Literatur. Immer wieder erzählen die Figuren von ihren Lieblingsgeschichten, aber auch Filmen. Sie entdecken, ob sie zum Schreiben oder eher zum Analysieren der Literatur geschaffen sind. Stephen King lässt seine Figuren über das Schreiben philosophieren, über den Einfluss der Literatur und die Rolle des Autors im Leben bestimmter Menschen.
„Dass er im Hauptfach Englisch wählen würde, stand außer Frage. Teilweise hatte diese Gewissheit mit John Rothstein und den Romanen über Jimmy Gold zu tun; soweit Pete wusste, war er der einzige Mensch in Amerika, der die letzten zwei gelesen hatte, und die hatten sein Leben verändert.“
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