Dror Mishani: Drei, Aus dem Hebräischen von Markus Lemke, Diogenes Verlag, Zürich 2019, 330 Seiten, €24,00, 978-3-257-07084-2
„Und tatsächlich gelang es ihm manchmal, sie zu überraschen, ihr das Gefühl zu vermitteln, es gäbe Dinge, die sie nicht von ihm wusste, und dass unter seiner konventionellen Erscheinung ein deutlich interessanterer Mensch steckte, den sie noch nicht kannte.“
Von der ersten Seite an, zieht dieses Buch durch die tiefen Einblicke des Leser in die persönlichen Geschichten der einzelnen Protagonisten, den Leser in den Bann. In einem Parforceritt durch die Gefühle verändert er von mal zu mal seine Meinung über die Handelnden. Da sich der israelische Autor ohne große Geheimnisse sehr nah an seine Figuren heranzoomt und kein Geheimnis aus deren Taten macht, sollte man die dramaturgisch raffinierte Handlung als Rezensierender nicht auffächern. Gerade aus der Spannungskonstellation zwischen der männlichen Hauptperson, Gil Chamtzani, und den drei Frauen ergibt sich dieser Lesesog. Es stellen sich viele Fragen: Warum handeln die Personen so und nicht anders? Wie sehr darf man einer Person, die man gerade kennengelernt hat, vertrauen? Warum täuschen uns die Gefühle? Warum handelt jemand so, wie er es tut? Was sind die Hintergründe?
Die Frauen suchen Zuneigung, Verständnis und Liebe, eine Heimat, etwas Zärtlichkeit und Anerkennung. Sie sind nicht unfehlbar. Sie sind neugierig, aber auch verunsichert. Sie sprechen sich selbst Mut zu und handeln. Sie geraten durch ihr Umfeld und persönliche Konflikte in Bedrängnis und suchen nach einer Lösung, die sie ins Unglück stößt. Da ist Orna. Sie arbeitet als Lehrerin und kümmert sich um ihren neunjährigen, sehr verschlossenen Sohn. Sie hadert mit ihren finanziellen Problemen und der Einsamkeit. Als ihr geschiedener Mann mit seiner neuen Familie aus Nepal im Sommer zurückkehrt, lebt sie in der Angst, dass sie ihren Sohn verlieren könnte. Die Lettin Emilia kommt über eine Arbeitsagentur nach Tel Aviv. Zwei Jahre arbeitet sie in einem Haushalt und pflegt einen kranken Mann bis zu seinem Tod. Großzügig und menschlich geht die Familie mit ihr um. Als sie eine neue Arbeit im Seniorenstift findet, fühlt sie sich weder eine Wertschätzung ihrer Arbeit, noch eine gewisse Sicherheit. Des Hebräischen nicht mächtig sucht sie Trost und Ansprache in der Kirche, bei einem jungen polnischen Priester. Auf der Suche nach weiterer Arbeit, auch sie leidet unter der schlechten Bezahlung, lernt sie durch die Vermittlung der ihr vertrauten Familie Gil näher kennen.
Ella und Gil begegnen sich in einem Café. Sie entflieht ihrer Familie, drei Kindern und versucht, ihre Masterarbeit zu vollenden. Immer näher kommen sich die beiden, da Ellas Mann oft abwesend ist und sie ein Abenteuer sucht.
Bravourös fächert Dror Mishani seine einem Kammerspiel gleiche Handlung mit einer konstanten Figur auf und beendet sie mit einem überraschenden Showdown.
Großes Kino im wahrsten Sinne!