Nick Burd: Die Wonnen der Gewöhnlichkeit, Aus dem Englischen von Wolfram Ströle, dtv primium, München 2011, 319 Seiten, €15,40

„ Zum ersten Mal hatte mir jemand alles gegeben, was ich wollte, ohne dafür etwas zu verlangen.“

Der 17-jährige Dade steht am Ende der Highschool und wird nach den Sommerferien aufs College gehen. Er will Englisch als Hauptfach studieren, schreiben.
Als Ich-Erzähler lässt er diesen Sommer, nach dem sein Leben in neuen Bahnen verlaufen wird, vor seinem inneren Auge passieren. Er sieht seine Eltern, die etabliert plötzlich in einem zu großen Haus mit Pool in Cedarville wie sinnentleert wohnen und irgendwie mit sich nichts mehr anfangen können. Die Mutter rettet sich in eine Therapie und Tabletten, der Vater schafft sich eine Freundin an. Dade ist ein kritischer Zaungast, hat aber genug mit seinen eigenen Problemen zu tun, denn er kann zu seiner sexuellen Orientierung nicht stehen, ist unsicher und isoliert.
Er bewundert und liebt Pablo, der nicht zu ihm steht und in der Öffentlichkeit mit seiner Freundin Judy herumknutscht, um nur ja nicht als Homosexueller geoutet zu werden. Dade, den alle nur im Windschatten von Pablo erleben, ist ein geduldeter Außenseiter, der viel allein ist. Als Dade sich von Pablos miesen An- und Abstoßungstaktik befreien will, lernt er die unverkrampfte zu ihrer Homosexualität stehende Lucy kennen. Sie sagt ihm auf den Kopf zu, dass er schwul ist und die beiden freunden sich an. Mit Lucy entkrampft Dade sich langsam, findet eigene Wege um Alex, einen stadtbekannten, schwulen Dealer kennenzulernen und sich zu verlieben. Mit Alex kann Dade ohne Anstrengung und Verstellung die Sterne ansehen, kiffen und einfach nur Sex haben.
Dade wird in diesem Sommer so einiges für sich klarstellen. Er outet sich seinen Eltern gegenüber und schafft es ihnen zu sagen, wie nervig er ihr Verhalten findet.
In bestimmten Szenen, wenn Dade mit seinem Vater essen geht und an dessen Sprachlosigkeit fast verzweifelt, dann spürt man, wie gut der junge amerikanische Autor Nick Burd beobachten und szenisch schreiben kann. Viele Sprachbilder für Alltagsbeobachtungen, die Dade durch den Kopf gehen, sind stimmig, ironisch und äußerst treffend.
Auch wenn Dade glaubt, an Halluzinationen zu leiden, er sieht das autistische Mädchen, das seit längerem im Ort vermisst ist, in seinem Garten, läuft für ihn das Leben immer weiter. Er gelangt nie an den tragischen Punkt, an dem Pablo zu Grunde geht. Vielleicht wirkt die Coming-out-Geschichte dadurch durchaus real, ist aber als Debüt längst nicht so herausragend wie angekündigt. Ob dieser Roman, der vom Verlag so vollmundig gelobt wird, autobiografische Züge hat, könnte vermutet werden. Doch man sollte sich den Namen des Autoren merken.