Werner Heickmann: Die Vogelinsel, Bloomsbury Verlag, Berlin 2012, 126 Seiten, €12,99, 978-3-8270-5528-6

„ Und wenn es so ist, und wenn Menschen wie Zugvögel sind, dann ist es Vater angeboren, wegzugehen. Und Mutter auch. Dagegen kann man nichts machen, denke ich.“

Hinnerks Vater hat die Sehnsucht nach der weiten Welt hinausgetrieben. Er baut sich ein Kanu und fort ist er. Eine Postkarte mit einem weißen Haus und die Mitteilung, dass es ihm gut geht, ist die einzige Botschaft, die Hinnerk von ihm hat.
Auch Pauls Vater ist fort, mit einer anderen Frau, die fast so aussieht wie die Mutter.
Mit seinem Vater hat Hinnerk die Falken beobachtet. Der Junge klettert nun allein auf den Kirchturm, um die Ankunft der Vögel zu erwarten. Da bemerkt er Paul, er weint. Die beiden Jungen finden sich auch ohne große Worte und beschließen Hinnerks Vater, er könnte auf der Vogelinsel sein, zu suchen. Auch Paul interessiert sich für das Leben der Vögel.
Die Jungen üben das Paddeln, immerhin ist die Insel gut 20 km entfernt. Ihr guter Bekannter, Herr Dreifuß, der Mann mit dem Kramladen, schafft es die Mütter von Paul und Hinnerk zu überreden, die Jungen für acht Tage ziehen zu lassen.
Hinnerk bemerkt, dass seine Mutter sich mit Herrn Linke, dem Bootsführer der Fähre, trifft und ist enttäuscht.

Für die Jungen ist die Fahrt zur Insel doch anstrengend. Sie bauen ihr Zelt auf und entdecken einen fremden Mann, der einen jungen Falken aufgezogen hat und auswildern will. Einerseits genießen die Jungen, die Freiheit tun zu können, was sie wollen. Andererseits spüren sie, dass sie so wenig wissen über das Leben in der Natur. Der Falkner zeigt den Jungen, wie man Feuer macht, nachdem sie beinahe das Schilf abgefackelt hätten. Hinnerk und Paul müssen in der Einsamkeit auch mit sich klarkommen und manchmal gehen sie sich einfach nur aus dem Weg.

Sie stoßen auf Fragen, die sie kaum beantworten können. Auch auf die Frage, ob man wirklich einen Vater braucht?
Sie beobachten, wie sich der Falkner um Jakob, den jungen Falken, wie ein Vater kümmert und ihn doch ziehen lassen muss. Hinnerks Vater finden sie nicht, aber das weiße Haus, das fast verfallen ist.

Im Mittelpunkt dieses Romans stehen die Männer, zum einen sind es die Nebenfiguren, die als gute Bekannte den Jungen zur Seite stehen, wie Herr Dreifuß, zum anderen spielen jedoch die abwesenden Väter die Hauptrolle. Aus Hinnerks Sicht beschreibt Werner Heickmann in seinem Debütroman das Geschehen. In einer sensiblen Sprache, die doch immer in der Kinderperspektive bleibt, spürt der Leser, wie sich Hinnerk und Paul ohne ihre Väter fühlen, was sie denken. Die acht Tage auf der Insel legen ihre Gefühle frei, geben ihnen Selbstvertrauen und lassen doch auch spüren, wie groß die Leerstellen in ihrem Leben sind.

Immer wieder kreist Werner Heickmanns poetische Geschichte um die Vogelsymbolik, die Jungen beschäftigen sich mit Vögeln, ein Falke spielt im Ort eine Rolle, der Falkner auf der Insel bringt den Jungen vieles über Vögel bei und die Vögel selbst stehen für die Freiheit, die der Vater von Hinnerk offensichtlich gesucht hat.

Ein Kinderbuch mit hohen Ansprüchen an seine jungen Leser.