Inez Corbi: Die roten Blüten von Whakatu, cbj, München 2012, 343 Seiten, €16,99, 978-3-570-15330-7

„ Sie kam sich vor wie ein Baum, den man von seinem angestammten Platz genommen und in fremde Erde verpflanzt hatte.“

Karolina Salzmann und ihre kleine Schwester Friederike, Lina und Rieke, leben nach dem Tod des Vaters in Norddeutschland in bitterer Armut. Die 15-jährige Lina will sogar ihre Vorderzähne für ein bisschen Essen opfern. Als hätte das Schicksal es gut mit ihr gemeint, liest sie in einer Zeitungsannonce beim Zahnarzt den Aufruf für willige Auswanderer nach Neuseeland. Entschlossen flüchtet sie vom Zahnarztstuhl und erzählt ihrer 10-jährigen Schwester vom bevorstehenden Abenteuer. Ein Problem könnte sein, dass Rieke noch zu jung ist. Aber alleinstehende Mädchen werden auf jeden Fall als Hausdienerinnen gesucht. Die Mädchen setzen sich über alle Hürden hinweg und treten die Reise nach dem Vertragsabschluss mit Graf Rantzau, der ihre Überfahrt auslegt, an. Im Frühling 1844 betreten die beiden nach einer beschwerlichen und entbehrungsreichen wochenlangen Schiffsreise neuseeländischen Boden, den Ort Nelson. Die Maori nennen das Land Whakatu.

Kaum angekommen stellt sich heraus, dass die Arbeitsversprechen der Neuseeland-Compagnie Schall und Rauch waren, denn die Compagnie ist pleite.

Die Auswanderer suchen verzweifelt nach Arbeit oder entscheiden sich nach Australien weiterzureisen.

Lina kann beim Farmer Mr. Treban, einem Deutschen aus dem Rheinland, mit ihrer Schwester als Hausmädchen arbeiten. Sie soll sich um die kleine Sophie kümmern, die ihre Mutter bei der Geburt verloren hat, um den 11-jährigen Julius und den 19-jährigen Alexander. Zu ihren Aufgabengebieten zählt aber auch der Haushalt, der Garten, die Haustiere und vieles mehr. Lina ist außerordentlich fleißig und scheut keine Arbeit. Rieke ist da eher noch verspielt und sieht sich lieber als Kind in der Familie als als Angestellte.

Alexander und Lina verbindet ein seltsames Spannungsverhältnis. Sie spürt ihre wachsende Zuneigung zu ihm, aber auch die Konflikte, die er mit dem Vater hat.
Angelpunkt des Streites ist das Verhältnis der Auswanderer zu den Maori, den Wilden wie sie Mr. Treban nennt. Alexander trägt versteckt eine Tätowierung und steht auf der Seite der Maori, obwohl sie im Wairan-Massaker seinen Onkel umgebracht haben. Lina durchschaut nicht die Andeutungen, die immer wieder fallen.

Als Rieke dann einen schweren Asthmaanfall erleidet, beschließt Mr. Treban, dass er das kranke Kind nicht mit durchfüttern kann. Er hat erhebliche Schulden beim skrupellosen Agenten Seip und dieser droht ihn auch vom Land zu vertreiben, wenn er nicht endlich zahlt.

Lina hat keine Wahl. Sie geht auf Mr.Trebans bereits vorher geäußerten Vorschlag ein, ihn zu heiraten. Alexander unterstellt Lina, sie wolle ihren Vater nur heiraten, weil sie bei ihm Geld vermutet. Absurd, zumal Lina selbst Erspartes für die Hochzeit dazugeben muss.

Die gefürchtete Hochzeitsnacht überlebt jedoch nur Lina.

Inez Corbi hat einen spannenden, temporeichen wie konventionell geschriebenen historischen Roman für junge Leser vorgelegt. In ihrer Geschichte um die beiden norddeutschen Mädchen konzentriert sie sich auf deren ungewöhnlichen Lebensweg in einem neuen Land mit einer neuen Sprache, neuer Fauna und Flora. In den rückblickenden Erzählungen Alexanders umkreist er die Besiedlung Neuseelands und die Konflikte mit den Maori. Nicht allzu viele Personen treten auf und somit kann der Leser leicht den Geschehnissen folgen, die scheinbar Schlag auf Schlag Linas Entwicklung vorantreiben. Sie übernimmt früh die Last der Verantwortung für ihre jüngere, kranke Schwester und später dann die für die Kinder ihres Arbeitgebers.

Lina als fiktive Figur bleibt in ihrer historisch belegten Frauenrolle und das führt dazu, dass der realistische Roman glaubwürdig wirkt.