Katherine Pancol: Die gelben Augen der Krokodile, Aus dem Französischen von Nathalie Lemmens, C. Bertelsmann Verlag, München 2011, 608 S., € 22,99, 978-3-570-10086-8
„ Alle hielten sie für ein naives Dummchen! Und genau das war sie auch.“
Joséphine Cortes, zweifache Mutter und Ehefrau, schaut auf ihr Leben und fühlt sich in ihrem Pariser Vorort als Versagerin. Ihr 15-jährige Tochter Hortense hat nur beißenden Spott für die mausgraue, gelehrte Mutter übrig, denn Jo achtet kaum auf ihr Äußeres, wirkt mutlos und immer verzagt. Sie arbeitet emsig an ihrer Habilitation und als Geschichtsexpertin, speziell des 12. Jahrhunderts, um die Familie durchzubringen. Ihre brillante, egozentrische Schwester Iris hat wohlhabend, trotz angeblichem eigenen Talent als Drehbuchautorin ( sogar in Hollywood ), geheiratet. Jo ist das schwarze Schaf in der Familie. Auch die kalte, ehrgeizige, immer um eine straffe Haltung bemühte Mutter, die es nur zu etwas gebracht hat, weil sie den einfältigen, aber in geschäftlichen Fragen bauernschlauen, recht vulgären Marcel geheiratet hat, betrachtet ihre unbedeutende Tochter mit Verachtung. Marcels Geld verhilft Jos Mutter zu dem Lebensstandard, der ihr ihrer Meinung und ihren Töchtern, dabei denkt sie eher an die strahlend schöne Iris mit ihren blauen Augen und dem übertriebenen Selbstwertgefühl, zusteht. Iris‘ Denken dreht sich nur um sich, ihr Wohlgefühl, ihre Klamotten, ihre intriganten Gespräche mit angeblichen Freundinnen. Ihrem Sohn Alexandre wendet sich glücklicherweise der Vater zu.
Glück gibt es für diese Familien nicht im Kleinen, in der Nestwärme, sondern nur in der Darstellung nach außen und die muss beeindruckend sein, voller Glanz und Einmaligkeit. Nur Jo versucht ihre Töchtern Gefühle entgegen zu bringen. Auch hier Fehlanzeige, denn Hortense legt keinen Wert auf Umarmungen, Euroscheine wären ihr lieber.
Katherine Pancol hat einen Roman über Menschen geschrieben, die in ihren Lebenskonzepten nur darauf aus sind, andere schamlos zu benutzen, um nicht selbst aktiv werden zu müssen. Auch Antoine, Jos Ehemann, wird das Geld seiner Geliebten, nachdem die hilflose und gedemütigte Jo ihn vor die Tür gesetzt hat, investieren, um sich in Afrika in einer von Chinesen betriebenen Krokodilfarm einzukaufen. Jo hat ihm noch blind vertrauend einen Kredit unterschrieben, für den sie, da die Chinesen nicht zahlen, einstehen muss.
Die lebensfremde Jo muss sich als Alleinerziehende mit zwei finanziell durchaus anspruchsvollen Töchtern durchschlagen. Ihr Schwager verschafft ihr einen gut bezahlten Gelegenheitsjob, denn Jo kann sogar juristische Texte aus dem Russischen übersetzen. Und hier stutzt der Leser kurzzeitig. Katherine Pancol zeichnet ihre fiktiven Figuren entweder holzschnittartig einfach oder sie stattet sie dermaßen unglaubwürdig mit Fähigkeiten und Lebensgeheimnissen aus, die überzogen, wie unglaubwürdig, wirken. Immer geht es den Figuren um die Aufstiegschancen in den Tempel der Schönen und Reichen und auch der nervende Teeny Hortense, die natürlich ins Modebusiness einsteigen wird, redet wie eine abgeklärte, pragmatische Erwachsene, die ihrer gebildeten Mutter, die sich ja überall unterbuttern lässt, den Spiegel vorhalten muss. Vielleicht wäre alles eine Nummer kleiner glaubwürdiger gewesen, aber dann wäre ja nur eine langweilige, weichgespülte Anna Gavalda Imitation entstanden.
Der mitfühlenden Jo jedenfalls gehört alle Sympathie der Autorin. Sie darf sich in dieser teils moralinsauren, trivialen Geschichte vom häßlichen Entlein zum strahlenden Schwan entwickeln.
Iris langweilt sich mittlerweile in ihrem Luxusleben. Als sie einem Verleger aus einer Laune heraus berichtet, sie schreibe einen Roman, ist dieser, auch weil es sich um ein historisches, angesagtes Thema handelt, hocherfreut.
Iris weiß, dass sie nicht in der Lage ist, das Projekt wirklich umzusetzen. Also muss die ständig in Geldsorgen lebende Jo einspringen. Diese lässt sich wie immer von der schillernden Persönlichkeit ihrer Schwester und dem Honorar blenden und schreibt den Bestseller „Die demütige Königin“.
Iris sonnt sich in der medialen Öffentlichkeit und zieht alle Register, um die PR-Arbeit für den Roman anzukurbeln. Dabei schießt sie weit übers Ziel hinaus und macht sich auch in den Augen Jos und Hortenses, die ihre Tante abgöttisch liebt, auch wegen ihren finanziellen Möglichkeiten, lächerlich. Sie scheint zur gespaltenen Persönlichkeit geworden zu sein, die reales Leben und Imagination nicht mehr zu unterscheiden vermag.
In mehreren Erzählsträngen berichtet die französische Autorin von Menschen, die einer Lebenslüge aufgesessen sind und schnell noch das Ruder herumwerfen möchte, ob es nun der alte Marcel ist, der sich von seiner um Jahre weit jüngeren Geliebten endlich das ersehnte Kind, dass ihm seine berechnende Frau verwehrt hat, wünscht oder Iris Mann, der seiner Frau die Augen über ihre hohlen Tagträume öffnen will.
Katherine Pancol hat einen leidlich lesbaren, ihr Stil gleitet oft ins Banale ab, jedoch zutiefst verlogenen Mutmach-Roman geschrieben.
Die französische Autorin will ihren Leserinnen sagen, ehrlich währt am längsten, steht zu euch, macht etwas aus euren Talenten und Fähigkeiten, habt keine Angst. Ihr seid letztendlich die moralischen Gewinnerinnen und könnt alles ändern. Diese Botschaft mag tröstlich sein, hat aber mit der realen Wirklichkeit, die hier geschönt auf ein Happy End zugeht, wenig zu tun.
Der Buchtitel und die Angst einflößenden Krokodile stehen möglicherweise für die offensichtliche Lebensphilosophie, außer Jos, der handelnden Figuren: Fressen oder gefressen werden.
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