Ann Rosman: Die Gefangene von Göteborg, Aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn, Rütten & Loening im Aufbau Verlag, Berlin 2014, 456 Seiten, €14,99, 978-3-352-00877-1

„Sie war für kein Verbrechen verurteilt worden, aber man war der Meinung, dass mehr als die Hälfte der notwendigen Beweise vorlag, und man sie als Gefahr für die Allgemeinheit betrachtete, sollte sie jetzt auf der Festung Carlsten in Beugehaft sitzen, bis sie gestand.“

Erneut verbindet die schwedische Autorin Ann Rosman in ihrem neuen Buch einen gegenwärtigen mit einem historischen Kriminalfall. 2011 ereignet sich ein Familienstreit um das Erbe eines riesigen Arsenals. Die alteingesessene Familie Ekeblad wohnt auf ihrem ungeteilten Grund und Boden seit 1723. Laut Testament des Vaters jedoch soll das Erbe unter den drei Geschwistern Carl-Henrik, Hugo und Maud aufgeteilt werden. Ein Gesetz aus dem Jahre 1964 gibt den Erben das Recht das sogenannte Fideikomiss aufzulösen. Nach dem Tod des alten Ekeblad fechtet jedoch der älteste Sohn, Carl-Henrik, das Testament an und will durch eine Kommission entscheiden lassen, dass das Fideikommiss unter seiner Verwaltung ungeteilt bleibt. Für die Geschwister und deren Kinder würde diese Entscheidung bedeuten, dass sie nichts erben und eventuell sogar den Hof verlassen müssten.

Doch ein Riss ging schon lang vor diesem eklatanten Vertrauensbruch durch die Familie.

Szenenwechsel ins Jahr 1801: Die adlige Metta Ridderbielke heiratet, durch die Vermittlung ihres Stiefvaters, Henrik Fock, den alle nur Focken nennen. Für die gebildete und schöne Frau ist es ein Absturz in die Armut. Um alles muss sie sich selbst kümmern, um die Erziehung der vier Kinder, den Haushalt und den Hof. Focken, der offenbar geistig nicht auf der Höhe ist, lässt sie entmüdigen und setzt ihren Bruder als Vormund ein. Aber zu diesem Zeitpunkt hat Focken bereits die Familie mit seinen unüberlegten Geschäften ruiniert. Als Metta den verheirateten Forstmeister Fägercrantz kennen und lieben lernt, scheint ihr Unglück besiegelt. Die Nachbarn beobachten die beiden und Focken erzählt in seiner Eifersucht, dass Metta ihn vergiften will. Dabei hat die Frau nur Arsen gekauft, um die Ratten aus dem Haus zu verjagen. Als dann ihr ältester Sohn qualvoll stirbt, kurz darauf ihre taubstumme Tochter und dann auch noch Focken sorgt die Gerüchteküche für einen ersten Termin beim Gericht. Eine Kette von Falschaussagen, erkauften falschen Gutachten und Verleumdungen bringen die junge Frau, die schwanger ist, vor eine Reihe von Gerichten. Selbstbewusst leugnet sie ihre Familie getötet zu haben, um mit dem Forstmeister zusammenleben zu können. Jeder jedoch will in ihr die Giftmörderin sehen. Metta verteidigt sich sprachlich gewandt selbst und auch das ist ein Dorn im Auge der Männergesellschaft. Aufrecht läuft sie nach längerer Haft in die Festung Carlsten, in der eigentlich nur Männer einsitzen. Hier soll sie bleiben, bis sie endlich gesteht.

Zurück in die Gegenwart: Auf der Festung Carlsten findet zur Weihnachtszeit ein Kostümfest statt. Eine gute Gelegenheit, so meinen die Geschwister Hugo und Maud, um ihren Bruder zur Rede zu stellen. Grund für diese Aussprache ist zum einen das Thema Fideikommiss, zum anderen der tragische Tod des jungen Andreas, der kurzfristig nach Deutschland geschickt wurde und dort verstarb. Seine Mutter Gunnel arbeitet seit ihrem sechzehnten Lebensjahr für die Ekeblads. Andreas starb nicht an der Influenza, sondern an den Erregern von Milzbrand als er ein Tiergrab aushub. Carl-Henrik konnte sich vor der Kommission keinen Skandal leisten und schickte den Jungen wissend um die Krankheit einfach in den sicheren Tod.
Und hier kommt Karin Adler, die Kriminalinspektorin mit dem Hausboot, ins Spiel.

Auf dem großen Fest der oberen Gesellschaftsschicht, hier sind offensichtlich alle irgendwie verwandt und verschwägert, tauchen plötzlich zwei Leichen auf.

Ann Rosman konstruiert den Fall der rechtlosen Metta Fock akribisch genau nach und gibt der unschuldig letztendlich hingerichteten jungen Frau durch die Nacherzählung aller Umstände ihre Würde zurück. Der gegenwärtige Doppelmord-Fall lässt für die Polizei viele Fragen offen. Doch dann entdecken sie einen Tunnel, der in das ehemalige Gefängnis führt und es wird klar, es ist kein Verbrechen unter Geschwistern.

Äußerst spannend lesen sich beide Kriminalgeschichten, die zeitlos von Habgier, Besitzanspruch und Gefühllosigkeit erzählen. Und immer gibt Ann Rosman Einblicke in soziale und gesellschaftliche Zustände und überlässt dem Leser die Beurteilung.