Matthew Dicks: Der beste Freund, den man sich denken kann, Aus dem amerikanischen Englisch von Cornelia C. Walter, Bloomsbury Verlag, Berlin 2013, 442 Seiten, €19,99, 978-3-8270-1140-4
„Egal, was geschieht, ich glaube nicht, dass sich jemand an mich erinnern wird, wenn ich verpuffe. Dann wird es sein, als wäre ich nie dagewesen.“
Budo hat es nicht leicht. Der Tod, das Entschwinden oder „Verpuffen“ schwebt wie ein Damoklesschwert über seinem Kopf, denn Budo ist eine Fantasiegestalt. Ausgedacht hat sich diesen so echt aussehenden Jungen sein „Menschfreund“ Max Delaney. Seit vier Jahren weilt Budo als imaginärer Freund noch schon auf Erden, aber er ist nicht der einzige. Da laufen seltsam einfältige Hunde durch die Gegend, Figuren, die offenbar aus Papier gefaltet wurden oder Personen winzig klein oder groß mit oder ohne Ohren. Imaginäre Freunde sehen einfach so aus, wie sich Kinder oder Geisteskranke sie sich vorstellen und sie sind nur zu dem in der Lage, womit die Freunde sie mit ihrer Vorstellungskraft ausgestattet haben.
Budo kann ganz einfach Wände und verschlossene Türen passieren. Für einen imaginären Freund ist Budo sehr selbstständig und da er nicht schläft, Max hat sich offenbar darüber keine Gedanken gemacht, schaut Budo, der auch diese ungewöhnliche Geschichte erzählt, öfter mal in der Tankstelle vorbei oder geht ins Krankenhaus. Budos langes oder kurzes Leben wird von der Imagination seines unmittelbaren Kontaktpartners bestimmt und so hält er sich „in dem Raum zwischen den Leuten“ auf und beobachtet alle. Er spricht auch mit den anderen Fantasiefreunden, langweilt sich aber schnell, denn er scheint wirklich mit mehr Grips und Moral ausgestattet worden zu sein, was doch Einblicke in das Innenleben von Max gibt.
Der achtjährige Max ist ein introvertierter Junge, der sich nicht gern anfassen lässt, in seiner ganz eigenen, ja fast autistisch scheinenden Gedankenwelt lebt, seine selbst gestellten strengen Verhaltensregeln befolgt und die Einsamkeit (mit Budo) liebt, obwohl die Außenwelt dafür kein Verständnis hat.
Max‘ Eltern sorgen sich um ihr zurückhaltendes Kind, das keine Freunde hat, keine Zwischentöne versteht, gern schweigt und alles wortwörtlich nimmt. Ist Max in einer für ihn ausweglosen Situation, dann blockiert er, schreit oder zieht sich in sich zurück. Er schaukelt zur Beruhigung mit dem Körper und jammert.
Für Max‘ Vater ein schmerzlicher Anblick, denn er spielt sich vor, dass sein Sohn völlig normal ist. Max‘ Mutter wünscht sich ebenfalls ein „normales“ Kind und schleppt ihn von einer Therapie zur nächsten.
Der einzige, der ein wirklich normales Verhältnis zu Max hat, Erwachsene, auch die Lehrer haben so ihre Schwierigkeiten mit dem Jungen, ist Budo.
Aber dann hat Max ein Geheimnis vor Budo, was diesen kränkt und skeptisch werden lässt. Die Heimlichkeiten mit der unsympathischen Lehrerin Mrs. Patterson führen zu einer ausweglosen Situation für Budo. Max wird von dieser offenbar seelisch kranken Frau entführt und nur Budo weiß, wo sein Freund gefangen gehalten wird.
Budo muss nun seine Zuschauerposition verlassen und ins wahre Leben eingreifen. Doch wie kann ein Wesen, das eigentlich nicht existiert, eine kriminelle Handlung aufdecken?
Verzwickt an der Situation ist auch, dass Max seinen imaginären Freund nun mehr als sonst braucht und sein Leben sich verlängert. Kehrt Max zu seinen Eltern zurück, setzen diese alles daran, dass Max erwachsen wird und Budo vergessen wird, d.h. langsam an Substanz verliert und als Nichts endet.
Vom Anfang bis zum Ende begegnet der Leser der Vorstellung einer völlig artifiziellen Welt, alles geschildert in einer einfach strukturierten Sprache. Budo ist ein Kunstprodukt, kein Traum und besticht doch durch seine dem realen Leben so verbundene Art und Treue, die mehr und mehr fasziniert. Vielleicht ist die Vorstellung, dass Kinder zur Stärkung ihrer Persönlichkeit diese imaginären Freunde benötigen, der Grund, weshalb man einfach neugierig bleibt und die Geschichte von Budo und Max bis zum Ende lesen muss. Zumal Matthew Dicks die Unsichtbarkeit und Fantasie der Kinder bei ihren Kreationen ihrer Freunde auch mit vielen humorvollen Szenen ausstattet.
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