Davide Longo: Am Samstag wird abgerechnet, Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner und Felix Mayer, Rowohlt Verlag, Hamburg 2024, 560 Seiten, €26,00, 978-3-498-00371-5

„Auch die Personen, die am Spieltisch sitzen, sind maskiert: Vera Ladich ist in Wahrheit Anna Mattalia; Mademoiselle de look eine unglückliche Gefangene; der liebevolle Terenzio Fuci ein Kerkermeister; der fromme Amilcare ein Fanatiker. Und der Mann, den Corso vor sich hat? Ludwig, der einsame Träumer?“

Commissario Vincenzo Arcadipane, der auf gut dreißig Polizeidienstjahre blicken kann, muss in seinem neuen Fall Turin verlassen und das weit gelegene Gebirgsdorf Clot aufsuchen. Hier findet er gemeinsam mit seinem recht oft unterschätzten Vize Pedrelli den ermordeten Terenzio Fuci in seinem Jaguar. Der Siebenundachtzigjährige ist der Eigentümer der Filmproduktionsfirma Veronica Film in Rom. An seiner Seite saß die einst so berühmte Schauspielerin Vera Ladich, die nun wie vom Erdboden verschwunden ist. Fuci wurde auf grausame Art erwürgt. Die Polizei nimmt sofort Kontakt zur treuen Sekretärin von Fuci auf und erfährt, dass er mit seiner Frau vor Ort Hotelzimmer gebucht hatte und sich angeblich nach Grabstellen erkundigen wollte. Vor kurzem ist der über lange Zeit kranke Bruder von Vera Ladich verstorben. Pikant an der Geschichte ist noch, dass der Bruder von Fuci, Amilcare Fuci, als Politiker und Bauunternehmer ebenfalls einen Bezug zu dieser Gegend hat, denn er war mit am Bau des dortigen Staudammes beteiligt. Und es stellt sich heraus, dass
Vera Ladich, die eigentlich Anna Mattalia heißt, aus dem Dorf Clot stammt. Als sie sechzehn Jahre alt war, hat sie der doppelt so alte Fuci dort kennengelernt, ihr Talent zum Schauspielern entdeckt und mit nach Rom genommen. Sieben Filme haben sie berühmt gemacht, wobei sie in ihrer aktiven Zeit bis 1973 nie Interviews gab und ständig unter der Kontrolle ihres Ehemannes Fuci und der Sekretärin Brocani stand. Nur ihren Bruder durfte sie an jedem Donnerstag im Luxussanatorium besuchen. An viele Informationen gelangt Arcadipane nach langen Gesprächen, denn die Dorfbewohner, der Ort hat nicht mal Handyempfang, mögen Vera Ladich nicht und sind verschlossen wie Austern. Erst die Reise nach Rom bringt etwas Licht in die tragische Geschichte der Ehe zwischen Vera Ladich und dem Toten durch Aussagen des einstigen Regisseurs der Ladich – Filme. Und dann erfolgt auch eine erste Verhaftung in Clot. Ludwig Ubac lebt abseits des Staudamms in einem Container. Er hatte vom Fernsprecher den Mord gemeldet und seine Fingerabdrücke konnten an Münzen identifiziert werden. Dass er und Vera Landich, die in der Vergangenheit nie ins Dorf zurückgekehrt ist, sich gut kannten, ist kein Geheimnis. Hat er sie entführt? Doch aus welchem Grund? Und was hat Vera Ladich mit dem Verschwinden der pensionierten Krankenschwester Masimine Ornsa zu tun? Und was hat Vera Ladich ohne ihre sie ständig beaufsichtigende Entourage für drei Tage nach Edinburgh verschlagen?
Commissario Vincenzo benötigt ziemlich lang, um erste Motive für den Mord am Filmproduzenten, der jetzt sein Geld mit Dokumentationen für den Vatikan-Kanal verdient, zu finden.
In einem ruppigen wie ironischen Gedankenstrom aus Arcadipanes Sicht berichtet Davide Longo über die Menschen im Dorf, seine Kollegen wie seine Geliebte, die ihm in nichts nachsteht.
Arcadipane schlägt sich noch mit seiner Scheidung und den privaten Sorgen herum und er bekommt Hilfe vom ehemaligen Commissario und Freund Corso Bramard, der kaum aus dem Krankenhaus entlassen von seiner Tochter Martina begleitet wird.
Davide Longo konstruiert das Leben eines jungen Mädchens, das zum Film kommt und auch noch erfolgreich ist, wie ein Märchen. Was hinter diesem Schicksal lauert, legt er Stück für Stück langsam frei und schaut auf eine Frau, die nun auf die Siebzig zugeht und nur noch auf Rache sinnt.
Wie immer spielen Land und Leute im Piemont eine wichtige Rolle und die oftmals miese Laune des doch so sympathischen Commissario Vincenzo Arcadipane.

„Nach fünfzig Jahren Leben in Turin hat er sich noch nicht mit der Tatsache abgefunden, dass der Humor der Piemontesen wie alte Elektroheizungen nur zwei Stufen kennt: aus oder an. Kein Temperaturregler.“