Joanna Trollope: Das Porzellanhaus, Aus dem Englischen von Cornelia Holfelder von der Tann, Berlin Verlag TB, Berlin 2015, 368 Seiten, €9,99, 978-3-8333-1016-4
„Es war, als ob sie, nur für einen Moment, allem da draußen so gern wäre wie ein Heliumballon, der sich losgerissen hatte und in die Wolken entschwebt war, weit über die Betriebsamkeit empor.“
Alles beginnt mit einem Eklat im Hause der Familie Moran, die als mittelständischer Familienbetrieb eine Porzellanfirma – die Susie Sullivan Keramik – führt. Susie, die Chefin, die fast aus dem Nichts die Firma aufgebaut hat, will sich ein Cottage in Staffordshire kaufen, das Palour House. Hier hatte einst ihr Urgroßvater als Milchknecht gearbeitet. Niemand kann Susie in ihren Entscheidungen umstimmen. Ihr Mann Jasper, dem sie als Musiker in London ein Studio eingerichtet hat, steht immer auf ihrer Seite. Die Töchter Cara, Ashley und Grace arbeiten alle, ob im Vertrieb oder fürs Design oder Marketing zuständig, im Betrieb der Mutter. Daniel, der Ehemann von Cara, wünscht sich mehr Wachstum und hofft, dass Susie endlich der Lizenzierung ihres Designs zustimmen wird. Aber Susie will immer alles unter Kontrolle haben. Aufgewachsen ist die energische Frau bei ihren Großeltern, die ihr auch den finanziellen Start ins Business ermöglichten. Ihr Vater Morris ist mit seiner Frau gleich nach ihrer Geburt auf die kenianische Insel Lamu gezogen und kehrte weder zu Hochzeiten oder Beerdigungen in die Heimat zurück. Gelebt hat er wohl vom Geld des Vaters, der ihn immer für einen Loser gehalten hat.
Es knirscht im Gebälk des Familienbetriebes. Grace hat sich in einen äußerst attraktiven, aber herrischen Mann verliebt, Ashley hat das Gefühl, zwischen Ehemann Leo, den zwei Kleinkindern in der Hektik als Standardmodus zerrieben zu werden und Cara kann sich innerhalb des Familienbetriebes nicht so entfalten, wie sie es gern wollen würde.
Und dann eines Tages steht Morris vor der Tür. Ein alter Mann, der seine Tochter Susie zum letzten Mal gesehen hat als sie noch die Flasche benötigte. Jetzt steht eine erboste erfolgreiche Frau vor ihm, die ihn zutiefst verabscheut.
Cara, Daniel als kaufmännischer Leiter und Ashley wollen, dass die Mutter ihre zentrale Position in der Firma aufgibt und sich vielleicht eher ihrem neuen Haus widmet. Der Krach ist vorprogrammiert, denn Susie hat nicht die geringste Lust nicht mehr zu arbeiten. Jasper spürt, dass er eigentlich keine richtige Aufgabe mehr hat. Die Kinder, um die er sich immer gekümmert hat, sind längst aus dem Haus und er spielt eigentlich nur noch so aus Spaß auf der Gitarre.
Leo und Ashley feuern ihr nichtsnutziges Kindermädchen. Leo gibt den Job als Lehrer auf und kümmert sich künftig, zuerst mit Vorbehalt, nur noch um Haushalt und Kinder, damit Ashley durchstarten kann. Verkehrte Welt könnte man meinen, denn bei den Morans verdienen die Frauen das Geld, sind kreativ, einfallsreich und vor allem erfolgreich. Die Männer müssen sich in ihren Rollen für Haus und Heim erst noch finden und das fällt Leo anfänglich doch schwer.
„ Er hatte nicht einkalkuliert, wie einsam seine neue Rolle hier im Haus sein könnte. Wie repetitiv und banal.“
Morris, der einfach nie er selbst sein konnte und dem das gar nicht zusteht, schaut nun von außen auf seine eigene Familie und stellt fest, dass sich vieles in Zukunft sicher ändern wird. Und keine Frage, alle Familienmitglieder, so formuliert es jasper, werden in die Luft geworfen und finden auf der Erde einen neuen Platz.
Joanne Trollope ist die Meisterin der Familienerzählung. Kaum hat der Leser eine Seite aufgeschlagen, schon befindet er sich glaubhaft in einer ihm so scheinbar vertrauten und doch neuen Welt voller spannender, wie unterhaltsamer Konflikte. Trollopes Figuren sind wirklichkeitsnah gezeichnet und die anstehenden Differenzen dem Leben abgelauscht. Nichts wirkt bei dieser britischen Autorin trivial, sie lotet ihr Thema Familie leichthändig und doch mit Tiefe aus.
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