Britta Bolt: Das Büro der einsamen Toten – Der erste Fall für Pieter Posthumus, Aus dem Englischen von Kathleen Mallett und Heike Schlatterer, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2015, 380 Seiten, €20,00, 978-3-455-40528-6

„Zumindest eine Sache ist mir bei dieser ganzen Geschichte klar geworden: dass wir alle in dieser Stadt in unseren kleinen Welten feststecken, und dass es viel Energie kostet, die Grenzen zu überwinden.“

Pieter Posthumus arbeitet im Amt für Katastrophenschutz und Bestattungen in Amsterdam. Früher war Pieter bei der Internen Revision tätig, daher vielleicht sein Spürsinn und seine Hartnäckigkeit. Sein damaliger Chef jedenfalls hat ihn so gar nicht geschätzt. \r\nPieters neue Tätigkeit jedenfalls dreht sich um die Nachlassverwaltung von Menschen, die nach ihrem Ableben niemanden mehr haben, der die Beerdigung zahlt. Also gehen Pieter, Alex, Sulung, Maya und die anderen Kollegen auf Geldsuche in den Wohnungen, so vorhanden, von meistens alten Männern, Frauen, Junkies oder Depressiven. Detektivisch dringen die Behördenmitarbeiter in die Privatsphäre der Toten ein, fotografieren ihren Nachlass und die Wohnung, sollte vielleicht doch noch ein Verwandter auftauchen und Fragen stellen.

Pieter, jetzt Mitte vierzig, lebt im Altstadtzentrum von Amsterdam, geht gern in die Kneipe De Dolle Hund und besucht dort Anna, eine gute Freundin, die auch mehr sein kann.

Zu Beginn des Romans fällt ein junger Mann in traditioneller marokkanischer Djellaba in die Gracht und ertrinkt. Schrecklich zugerichtet wird er ohne Papiere an der Prinsengracht gefunden. Auch Bart Hoofts wird tot aufgefunden. Er hat sich, so wird vermutet, belastet von seinen Depressionen selbst getötet. In seinem Nachlass findet Pieter anzügliche, aber auch nachdenklich stimmende Gedichte.

An einer anderen Stelle in der Stadt ärgert sich der Abteilungsleiter der Sektion Staatsschutz, Onno Veldhuizen, dass die sogenannte „Amsterdamer Zelle“ wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Die Beweise waren nicht belastend genug. Klar ist, dass nun weiterhin observiert werden muss und Lisettes Leute, wie Rachid oder Ben endlich belastendes Material gegen die angeblichen Bombenbauer finden müssen.
Veldhuizen jedoch will nicht mehr warten. Entgegen den Bedenken seiner Kollegin Lisette schleust er einen Syrer, genannt Khaled, als V-Mann ein. Lisette empfindet diese Aktion, über die sie Stillschweigen gegenüber ihren Kollegen wahren muss, als Vertrauensbruch.

Mohammed Tahire lebt in Amsterdam seit vielen Jahren. Seine Kinder jedoch fühlen sich immer noch nicht angenommen. Aissa soll den gläubigen Amir, einen entfernten Verwandten, heiraten und Najib, der 19-jährige Sohn hasst die Niederländer und sogar die eigene Mutter, die keinen Schleier trägt. Aissa jedoch hat ihren eigenen Kopf und lebt das Leben einer jungen, aufgeklärten Frau. Als Amir verschwindet stellt sich langsam heraus, dass er der unbekannte Tote ist, der in die Gracht gefallen ist. An dem bewussten Abend war er zu Gast bei den Tahires, es gab Streit mit Najib. Aber Amir war nicht betrunken und somit stellt die Gerichtsmedizin auch schnell fest, dass er einen Stromschlag erhalten hat.

Pieter beginnt sich mit Amir und seinen Verwandten zu beschäftigen. Alle Fäden laufen zusammen, denn Najib nähert sich Khaled an und dem Gedankengut der Amsterdamer Zelle. Der Staatsschutz gerät unter Druck und Pieter kommt dem Mörder immer näher.

Innerhalb der moslemischen Familien und der Terrorgruppe geht es immer wieder um die Differenzen über die Einhaltung der Religion und ihrer Rolle. Wie fühlen sich junge Muslime, die beruflich gut ausgebildet sind, aber nicht arbeiten können?

Die beiden Autoren lassen Pieter Posthumus nun ermitteln, obwohl das nicht sein Aufgabenbereich ist. Er ahnt nicht, wie weit er an die nicht ganz legalen Methoden des Staatsschutzes gelangt. Außerdem spielt auch noch Pieters Privatleben eine wichtige Rolle, denn nach Jahren meldet sich seine Nichte bei ihm und sie ist ausgerechnet Journalistin und ebenfalls an Amir und seinem Schicksal interessiert.

Spannend liest sich dieser dialogreiche erste Fall mit dem wunderbaren Setting Amsterdam, in dem geschickt verschiedene Handlungsebenen, aber auch ganz aktuelle, gesellschaftsrelevante Themenbereiche, die nicht nur in den Niederlanden eine Rolle spielen, miteinander verknüpft werden. Das Amt für Katastrophenschutz und Bestattungen jedoch wurde von Britta Böhler und Rodney Bolt frei erfunden. Beide Autoren sind keine gebürtigen Amsterdamer, wohnen aber schon lang dort. Und interessant ist auch, dass die Stadt Amsterdam für anonyme Leichen wirklich Bestattungen ausrichtet. Pieter Posthumus ist eine sympathische wie neugierige Hauptfigur, die man gern auf ihren Touren durch Amsterdam begleitet und sicher gespannt sein darf auf den nächsten Fall