Cay Rademacher: Rätselhaftes Saint-Rémy, Dumont Verlag, Köln 2025, 494 Seiten, €18,00, 978-3-8321-6822-3
„Es überraschte ihn nicht: Schon öfter waren Täter, denen er auf die Schliche gekommen war, nicht erschüttert gewesen, weil sie nun eine Verurteilung fürchten mussten. Vielmehr waren sie zornig, weil ihnen jemand ihre eigenen Taten ins Gesicht schleuderte. Für manche Menschen war es leichter, damit zu leben, dass sie Mörder waren, als damit, dass ihnen jemand sagte, dass sie Mörder waren.“
In der antiken Ruinenstadt Glanum unweit von Saint-Rémy halten sich nicht nur in den Sommermonaten unzählige Touristen auf, sondern auch Archäologen, denn längst ist nicht alles erforscht oder gar zu Tage gebracht. Doch dann wird unweit eines kleinen Tempels, einem Quellenheiligtum, die Leiche des achtundzwanzigjährigen Gaspard Rouge gefunden. Getötet mit einem Kopfschuss findet die Leiterin des Museums Miléne Oreal den Archäologen.
Capitaine Roger Blanc und seine beiden Ermittler Marius Thonon und Fabienne Souillard stehen vor einem Rätsel. Fast einer Hinrichtung gleich hat der Täter oder die Täterin das Opfer getötet. Nach und nach wird bekannt, dass der attraktive, wie ehrgeizige Gaspard Rouge auch außerhalb von Glanum ohne Genehmigung gegraben hat. Wenig schmeichelhaft sind die Aussagen der Kollegen über Gaspard, der nach seinem Motte, entweder ich finde einen Weg oder ich schaffe ihn mir, gelebt hat. Doch was hatte er u.a. auch auf dem Land von Miléne Oreal gesucht? Als die Tatwaffe gefunden wird, kann der ehemalige Besitzer, der Bruder von Miléne, Régis Chapot, nicht belangt werden, denn er sitzt seit Jahren im Rollstuhl. Angeblich wurde ihm die Beretta vor fünfundzwanzig Jahren aus dem Auto gestohlen. Die Eltern von Gaspard reisen an und betrauern ihr einziges Kind. Sie erzählen den Beamten, dass sie früher immer Urlaub in der wundervollen südfranzösischen Landschaft gemacht haben, u.a. auch in Saint-Rémy. Doch vor fünfundzwanzig Jahren endete plötzlich diese Vorliebe. Da es keine Unterlagen über Gaspards Geburt gibt, wird Roger Blanc langsam unruhig und gräbt immer tiefer in Gaspards Kindheit. Es stellt sich heraus, dass David Rouge nicht der Vater von Gaspard sein kann. Und noch interessanter, auch Edwige Rouge kann nicht seine Mutter sein. Ein spektakulärer Todesfall aus der Zeit vor fünfundzwanzig Jahren rückt in den Mittelpunkt der Ermittlungen. Das Ehepaar Frossard, ebenfalls im Urlaub in Saint-Rémy war bei einem Ausflug in die Alpilles spurlos verschwunden, mit ihm ihr dreijähriger Sohn Gaspard. Dieser Gaspard ist nun Roger Blancs Leiche. Verhaftet wurde damals der erste Mann von Miléne Oreal, der sich im Gefängnis das Leben genommen hat. Für die Polizisten war dies wie ein Schuldeingeständnis. Doch nun hat Robert Blanc gleich drei Leichen, nach deren Täter oder Täterin er suchen muss. Auch wenn das Ehepaar Rouge gesteht, den kleinen Jungen, der ganz allein aus den Wäldern zum Hotel gefunden hatte, entführt zu haben, bringt das die Ermittler nicht weiter. Fragt sich, wer Gaspard, der seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten ist, nach so vielen Jahren wiedererkannt hat? Neben den Ermittlungen muss sich Robert Blanc mit der erneuten Alkoholkrankheit seines Kollegen Marius herumschlagen und etwas Rücksicht auf Fabienne nehmen, die schwanger ist und auch noch Probleme mit ihrer Frau hat. Außerdem machen ihm falsche Alibis zu schaffen und die Hitze des beginnenden Sommers.
Nebenher fließen in die Handlung viele interessante Details über die antike Stadt Glanum ein, die Situation der Archäologen in Frankreich, aber auch einige Nebenfiguren, wie ein Raubgräber und eine neoheidnische Priesterin tauchen auf, die nicht immer die Wahrheit sagen.
Cay Rademacher hat mit seinem übersichtlichen Personal, geschickt platzierten Details und psychologisch fein geführten Figuren einen spannenden Plot konstruiert. Wie immer spielt die wechselvolle Geschichte, diesmal die der Kelten, Griechen und Römer und die pittoresque Landschaft rund um Saint-Rémy eine authentische, wie wichtige Rolle.
Keine Frage, Cay Rademacher ist ein Krimiautor, der nie routiniert etwas abspult, sondern originell und atmosphärisch genau schreibt und so die Lesenden jedes Mal in seinen Bann zieht.
Beste Urlaubslektüre!