Ursula Poznanski: Blinde Vögel, Wunderlich Verlag im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2013, 476 Seiten, €16,95, 978-3-8052-5045-0

„Sie wurde das Gefühl nicht los, dass hinter dem, was sie hier laufend als Selbstmord und als Unfall bezeichnete, eine Schattengestalt stand, flüchtig wie Rauch.“

Das Ermittlerduo Beatrice Kaspary und Florin Wenninger stehen in Salzburg vor einem Fall, bei dem nicht klar ist, war es Selbstmord, Tötung auf Verlangen oder doch Mord. Zwei Menschen, die überhaupt nichts miteinander zu tun hatten, wurden in der Nähe eines Campingplatzes tot aufgefunden – er, ein untersetzter Computerfreak aus Salzburg, sie, eine attraktive Friseuse aus Hannover. Die einzige Schnittstelle zwischen beiden ist ihre Zugehörigkeit zu einem Forum auf Facebook. Beide sind interne Mitglieder einer Gruppe, die sich „Lyrik lebt“ nennt und über Gedichte debattiert. Bea beschließt, da sie nicht sicher ist, dass die beiden Selbstmord begangen haben, sich mit einem fiktiven Account der Lyrikgruppe anzuschließen. Ein Anrufer will Informationen zum neuen Fall liefern, erscheint aber nicht am Treffpunkt, sondern wird Stunden später tot aufgefunden. Er ist ein stadtbekannter kleiner Dealer aus Kroatien.

Unabhängig davon befragen, trotz vehementer Bedenken des Chefs, die Ermittler die Lyrikgruppe. Eine junge sehr aktive, auch provokante, zornige Frau, Ira, kündigt im Forum ihren Freitod an und wird kurz danach von einem Zug überrollt. Da Ira kurz vor ihrem Selbstmord gemütlich in einer Pizzeria gegessen hat und auch noch über das fehlende Rückgabegeld mit dem Kellner diskutierte, zweifelt Bea am geplanten Suizid Iras.

Frisch geschieden muss sich Bea, die ihre Arbeit, die nun mal zu allen Tages- und Nachtzeiten stattfinden muss, liebt, mit den erneuten Vorwürfen ihres Ex-Mannes herumschlagen und mit seiner Kritik, dass sich Bea viel zu wenig um die beiden kleinen Kinder Jakob und Mina kümmert. Ist sie sich Jakobs unvoreingenommener Sympathie sicher, so spürt sie doch bei Mina ein leises Unbehagen. Journalistinnen oder Ermittlerinnen mit Familienverantwortung scheinen zwar als Hauptfiguren, z.B. auch in den Romanen der schwedischen Erfolgsautorin Liza Marklund irgendwie authentischer, doch hapert es immer an der Glaubwürdigkeit des Erzählten, besonders wenn es um den Familienalltag geht.

Auch bei Florin läuft im Privatleben nichts zum Besten, denn seine Amsterdamer Freundin Anneke fragt Bea, warum sie als Kollegin in Florins Gedankenwelt so eine wichtige Rolle spielt.

Immer undurchsichtiger werden die Fälle, die alle miteinander zu tun haben. Unter den Lyrikfans entdecken die Ermittler einen Journalisten, der offensichtlich auf Stoff für eine Story hofft. Als Rilkes berühmtes Gedicht „Der Panther“ immer wieder auftaucht und sich langsam Verbindungen zwischen den einzelnen Opfern und Geschehnissen in den 1990er Jahren im ehemaligen Jugoslawien herausstellen, versucht Bea durch ihr ausgesuchtes Gedicht von Rainer Maria Rilke „Seine Hände blieben wie blinde Vögel“ den Täter aufzuschrecken, ohne zu ahnen, um bei der Tiersymbolik zu bleiben, in welches Wespennest sie sticht.

Spannend liest sich dieser absolut undurchsichtige und doch so tragische Fall, bei dem brutale Geschehnisse aus der nahen Vergangenheit die Gegenwart gnadenlos einholen. In Ursula Poznanskis Krimi bleibt nichts ungesühnt, auch wenn man über eine lange Strecke nicht verstehen kann, welche Motive hinter all den Morden stecken.

Und immer geht es der Autorin um die Selbstdarstellung und den Voyeurismus, den Menschen an den Tag legen, wenn sie im Internet unterwegs sind. Manchmal können auch Fotos, die harmlos ins Netz gestellt wurden, zum Verhängnis werden.