Catharina Junk: Bis zum Himmel und zurück, Kindler Verlag, Reinbek bei Hamburg, Hamburg 2018, 352 Seiten, €17,95, 978-3-463-40694-7
„Ich bin nach Italien gekommen, weil ich dachte, nein, weil ich hoffte, dass es für das Abtauchen meines Vaters eine Erklärung gibt. Eine die rückwirkend den Schmerz mildert und mir bestätigt, dass es niemals etwas damit zu tun hatte, dass er mich nicht genug liebte oder mir die Schuld an Linas Tod gab.“
Die leicht übergewichtige Drehbuchautorin Katja, die sich nur von Toastbrot mit Schokoaufstrich und eiskalter Cola mit Eiswürfeln ernährt, bekommt einen sagenhaften Auftrag. Sie soll eine Serie, nun gut nicht für Netflix, aber doch fürs Fernsehen über eine Familie konzipieren und ein erstes Drehbuch schreiben. Dabei hat sie, die in Hamburg lebt, Ironie des Schicksals, weder ein funktionierendes Familienleben noch Kontakt zu ihren Eltern. Der Vater lebt in Bremen, die Mutter in Florenz.
Hinter der fröhlich witzigen Ausgangssituation, immerhin schreibt die Autorin bereits jahrelang für eine Serie, die sie nicht mal mag, geschweige denn im Fernsehen sieht und auch noch einen hyperaktiven Freund hat, der je hektischer er wird, sie in einen unsagbar entspannten Langsamkeitsmodus versetzt, entwickelt sich eine tragische Leidensgeschichte.
Catharina Junk vermischt den satirischen Blick auf das Fernsehbusiness mit der Biografie ihrer Protagonistin. Katja entwirft eine Familienstory, die schon x-mal zu sehen war und doch verbirgt sich im Text ihre eigene Geschichte.
In Rückblenden erfährt der Leser, was geschah, als Katja zwölf Jahre alt war und ihre Eltern in jeder Beziehung versagten. Von einem Tag auf den anderen zerbricht eine relativ intakte Familie.
Katja hat ihren Vater, der nun im Koma liegt, seit vierzehn Jahren nicht mehr gesprochen, der Kontakt zur Mutter brach vor sieben Jahren ab. Als noch alles im Lot war, hatte Katja eine jüngere Schwester, Lina. Durch tragische Umstände und einen Unfall stirbt das Mädchen mit neun Jahren.
Katjas Mutter verliert sich immer wieder in Alkoholexzessen, der Vater gründet eine zweite Familie. Und dann eines Tages steht Katjas Halbschwester Jella vor der Tür und lässt sich nicht abwimmeln.
Anteil nehmend und vor allem auch drastisch erzählt die Autorin vom Leidensweg Katjas, die sich damals ein Kind noch die Schuld am Tod der Schwester gibt. Auch wenn sie in der Jugendpsychiatrie landete, konnte ihr niemand diese Gedanken nehmen. Wohl fühlt sie sich nur, wenn sie sich ritzen kann, sich spüren kann und somit auch bestrafen. Mit achtzehn Jahren verlässt sie ihr Zuhause, denn mit der alkoholabhängigen Mutter kann sie nur untergehen. Stark ist dieses Mädchen einerseits, aber auch scheu und in ihrem Job eher introvertiert als gesellig.
Die gesamte Familientragödie wird dem Leser offenbart und dazu auch noch eine Liebesgeschichte mit dem Bruder ihrer Halbschwester Jella. Das ist dann aber auch des Guten zu viel, denn alle emotionalen Achterbahnen, die Katja in kürzester Zeit nebst Drehbuchentwicklung durchstehen muss, reichen bereits für eine ergreifende Geschichte, die den Leser nicht herunterzieht und vor allem Mut machen kann.
Könnte Katja nicht bei ihrer Freundin Alexa alles abladen, sie würde dem Gefühlsstau nicht standhalten und irgendwann zusammenbrechen. Wie allein die verantwortlichen Erwachsenen das Kind Katja gelassen haben, wird im Laufe der Handlung immer deutlicher. Ihre trockene Art mit den Geschehnissen umzugehen, wirken wie ein Schutzschild, aber auch ein Ventil, um einfach durchatmen zu können. Dass sie sich am Ende von den Filmleuten das Brot nicht von der Butter nehmen lässt, tut gut.
Nicht rundum gelungen ist diese Romanhandlung zwischen Tragik und Komik, unterhaltsam ist sie mit Abstrichen allemal.
Schreibe einen Kommentar