Mechthild Lanfermann: Berliner Blut, btb, Verlag in der Verlagsgruppe Random House, München 2015, 351 Seiten, €9,99, 978-3-442-74915-7
„Was hatte der Junge erlebt, was schon gesehen? War er wirklich die Schlüsselfigur in diesem Fall?“
Claire Elbar ist eine bekannte Künstlerin. Alle großen Museen reißen sich um ihre Kunstwerke, aber ausgerechnet in Berlin, in der Nationalgalerie ist eine Ausstellungseröffnung geplant. Gezeigt wird ihre Statue „Tantalus“, die bereits auf der Biennale in Venedig zu sehen war. Doch dann geschieht das Unfassbare. Die Künstlerin, die 1996 nach dem 1.Kongokrieg als Kind mit ihren Eltern nach Europa geflohen ist, wird unbeobachtet und doch im Beisein der Zuschauer ermordet. Jemand schneidet ihr die Kehle durch und platziert die Tote neben ihr Kunstwerk.
Edgar Blume, der Hauptkommissar, ist zur Stelle und natürlich die Gerichtsreporterin Emma Vonderwehr des Rundfunksenders BerlinDirekt. Beide kennen sich mehr als gut und haben doch beschlossen, getrennte Wege zu gehen.
Emma stolpert in der Nähe des Tatortes über einen Mann, der offensichtlich mit dem Fall etwas zu tun hat. Er ist ein Flüchtling aus dem Kongo und hat vor Stunden noch Claire Elbar öffentlich angespuckt. Es geht offenbar um seinen zehnjährigen Bruder, den Claire nach Deutschland holen wollte.
Kunstmäzen der Veranstaltung in Berlin ist ebenfalls ein Afrikaner, ein gewisser Herr O.. Er wohnt umringt von diversen Bodygards in einem Reihenhäuschen in Berlin-Reinickendorf und scheint in das damalige Massaker in Ruanda zwischen Hutus und Tutsis verwickelt gewesen zu sein. Schnell wird klar, in diesem Fall dreht sich nicht alles um Kunst, sondern um Coltan, das als wertvoller Bodenschatz im Kongo abgebaut wird. Claires Kunst soll zeigen, wie reich Afrika ist und wie wenig die eigene Bevölkerung von ihrem Reichtum hat. Aber Claire hat sich die falschen Leute für ihre Kritik ausgesucht, das meint zumindest ihr Ehemann Samuel Ndeze. Er hatte zuletzt einen Streit mit seiner Frau, über den skrupellosen Herrn O. und Claires Kunstausverkauf.
Der Ermittler kann nicht fassen, dass Leute wie Herr O. unbehelligt in Deutschland leben können und nebenbei in Ruanda Unruhe stiften.
Emma jedenfalls macht sich auf die Suche nach dem Flüchtling, den sie auch in Tegel findet. Samuel Ndeze weißt Emma darauf hin, dass jeder ihrer Schritte sicher geortet werden. Und richtig. Kaum hat Emma mit dem Mann gesprochen, wird er getötet. Emma verspricht ihm noch, seinen Bruder zu finden. Ein unsinniges Versprechen, denn die Reprterin hat keine Ahnung, wo der Bruder sich aufhält.
Über die guten Kontakte ihres Chefredakteurs kann Emma einen Termin bei der Firma H.C. Marx, ebenfalls Sponsor der Ausstellung und als Firma vor Ort im Kongo, bekommen. Marx legt größten Wert auf sein Saubermann-Image in Afrika.
Eine weitere Spur führt Emma nach Amsterdam, zu einem Journalisten, der offenbar mit Claire Elbar Kontakt hatte. Emma wird misstrauisch als sich Jonas de Vries nicht meldet. Er hatte zwei Tickets nach Berlin gebucht, eines für seinen Sohn Lasse, den es gar nicht gibt. Zurück wollte er allein fliegen. Als Emma in Amsterdam ankommt, ist Jonas de Vries tot. Doch wo ist der Junge?
Mechthild Lanfermann hat wieder einen durchaus spannenden, politisch hochaktuellen Krimi geschrieben. Tausende Menschen versuchen über das Mittelmeer unter Strapazen und Lebensgefahr, Afrika zu verlassen. Die eigenen Regierungen kümmern sich nicht um die Belange ihrer Bevölkerung, sie überlassen korrupt und geldgierig den Reichtum ihres Landes ausländischen Firmen. Ausgebeutet und gesundheitlich ruiniert werden vor den Medien gut versteckt u.a. auch Kinder. Das ist der Dreh- und Angelpunkt von Mechthild Lanfermanns Geschichte. Doch wo bleibt der Aufschrei in Europa? Warum bleiben alle gleichgültig und was kann die Kunst gegen die Ungerechtigkeiten auf der Welt bewirken?
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