Jennifer R. Hubbard: Atme nicht, Aus dem amerikanischen Englisch von Michael Koseler, Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2013, 256 Seiten, €13,95, 978-3407-81132-5
„Ich wusste, das es etwas mit der Glasscheibe zu tun hatte, die im Laufe der Jahre immer wieder aufgetaucht und verschwunden war, um schließlich nicht mehr zu weichen, als ich auf die Highschool kam.“
Der 17-jährige Ryan ist ein Außenseiter an seiner Schule, denn alle wissen, er hat versucht sich das Leben zu nehmen. Ryan hält sich in allem zurück, sucht keine Kontakte, keine Sport-AG. Er stellt sich am liebsten unter den reissenden Wasserfall unweit von seinem Haus und versucht zu vergessen. Ryans Eltern sind seit dem Suizidversuch ihres Kindes beunruhigt. Die Mutter arbeitet nun zu Hause, um Ryan immer im Blickfeld zu haben, der Vater geht seiner Arbeit nach und versucht möglichst nicht den Jungen zu kontrollieren.
Aus der Bahn wurde Ryan durch den Schulwechsel geworfen, durch seine Erlebnisse mit dem Mädchen Amy Trillis und den ganzen Aufwand, den seine Eltern und er mit dem neuen, chicen Glashaus mitten im Wald durchlebt haben.
Ryan ist der Erzähler und er berichtet recht abgeklärt von seinem Alltag. Als ihm die 15-jährige Nicky begegnet, beginnt er über die Vergangenheit nachzudenken.
Nickys Vater hat seinem Leben ein Ende gesetzt. Nach erneuter Arbeitslosigkeit sah er offensichtlich keinen Ausweg. Aber Nicky will von Ryan nun wissen, wie dieser letzte Moment ist und warum er es getan hat. Nicky versteht Ryan, dem es finanziell, im Gegensatz zu ihr, sehr gut geht und der nur Luxusprobleme zu haben scheint, nicht. Anfänglich öffnet sich Ryan auch nicht, aber als Nicky ihr weniges Geld zusammenkratzt um ein sogenanntes Medium, Frauen aufzusuchen, die Kontakt zu den Toten herstellen können, beginnt er zu erzählen.
Ryan schildert den Tag als er aus Selbsthass und seiner Sehnsucht nach Aufmerksamkeit keinen Ausweg mehr sah und sich in der Garage der Eltern mit Abgasen umbringen wollte. Er hatte bereits auch Tabletten gesammelt. Jeder Gang in die Apotheke war wie eine Befreiung und Erleichterung. Immer wieder nimmt Ryan den rosa Pullover von Amy aus dem Schrank. Als niemand es bemerkte, hatte er ihn ihr in der Bibliothek gestohlen. Wie tief hatte Amy ihn gekränkt als sie ihm vor allen klar machte, er sei ein Niemand, unsichtbar für all die anderen.
Die einzigen Freunde, mit denen Ryan immer noch in Kontakt steht, sind Val und Jake, ebenfalls suizidgefährdete ehemalige Patienten. Kennengelernt hat er die beiden im Patterson Hospital. Bei ihnen türmt sich keine Glaswand auf, sie sind sich gerade in ihren Gesprächen sehr nah gekommen.
In Val, und auch hier muss der Erzähler einen Rückschlag verkraften, ist Ryan verliebt. Aber sie mag ihn nicht genug, um eine Fernbeziehung zu leben.
Durch Nicky, ihre lebendige Art und Unbefangenheit gewinnt Ryan immer mehr Kontakt zum wahren Leben. Sie umschlingt ihn, küsst ihn und er hat nie das Gefühl von ihr weggestoßen zu werden. Aber Nicky hat ihn auch belogen und schon beginnt Ryan sich wieder in sein Schneckenhaus zurückzuziehen.
In langen qualvollen Dialogen mit der Mutter, dem Vater und auch Nicky wird für Ryan klar, er kann sich nicht immer allem entziehen.
Als Jake wieder in der Klinik landet, er hat sich die Pulsadern aufgeschnitten, ahnt Ryan, dass er so nicht weiterleben kann.
Unsentimental, lebensnah und konsequent aus der Sicht des Jugendlichen geschrieben, kann der Leser alle Gedankengänge nachvollziehen, verstehen oder eine andere Position einnehmen.
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