Levi Henriksen: Astrids Plan vom großen Glück, Aus dem Norwegischen von Angelika Kutsch, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2014, 253 Seiten, €12,95, 978-3-423-76090-4

„Ich haue ab zur Teufelsinsel und werde Einsiedler. Versucht nicht, mich zu finden. Ich will euch nie wiedersehen, schreibe ich. Dann schalte ich das Handy aus.“

Es ist eine alte Geschichte: Kinder wünschen sich immer, dass ihre getrennten Eltern doch wieder zusammenkommen und alles wieder so friedlich und harmonisch wird wie früher. Ein Wunschtraum, denn, er erfüllt sich fast nie.
Astrid ist da optimistischer und klaut erstmal während der Theatervorstellung einen Bolzenschneider beim Hausmeister. Sie hat es satt, wie ein Päckchen alle zwei Wochen zwischen Mama und Papa hin- und hergeschickt zu werden. Ihre Mutter stammt aus Norwegen, wo die Familie auch lebt. Der Vater jedoch kam als Kind mit seinen Eltern aus der Tschechoslowakei und auch die, das weiß ja jeder, ist jetzt getrennt, in Tschechien und die Slowakei. Ein schlechtes Zeichen. Doch was hat die politische Geschichte Europas schon mit Astrids Problemen zu tun? Die Ich-Erzählerin kann nicht mehr länger zusehen, sie heckt ihren Plan vom ganz persönlichen Glück aus.

„Als ich zehn Jahre alt wurde, habe ich beschlossen, nicht mehr zu wachsen. In den Köpfen der Menschen ist so wenig Platz, wenn sie groß sind. Zuerst hatte Papa keinen Platz mehr für Mama. Dann hatte Mama keinen Platz mehr für Papa, während ich plötzlich für beide Platz haben musste, für Mama und Papa, und auch noch für ihre neuen Liebsten.“
Astrid übt jeden Tag Kopfstand, denn sie hofft, dadurch wird sie kaum wachsen. Sie merkt sich die unmöglichsten Sachen und redet wie ein Wasserfall. Keine Frage, Astrid ist etwas Besonderes, aber man sollte es ihr bitte nicht sagen.

Die Sommerferien stehen vor der Tür und Astrid muss mit den Eltern und ihren besten neuen Hälften nach Kreta und Nordnorwegen reisen. Aber das Mädchen, das eigentlich ein Junge sein möchte, hat nicht die geringste Lust auf fröhliche Familie zu machen. Und nun verkaufen die Eltern auch noch die Ferienhütte in Schweden. Das müssen sie allerdings zusammen erledigen und hier ergibt sich für Astrid die Gelegenheit, nocheinmal mit Mama und Papa ganz allein Zeit zu verbringen. In der Nähe der Hütte befindet sich die Teufelsinsel, auf der alle drei in guten Zeiten gezeltet haben. Hierhin wird Astrid ihre Eltern nach einem ausgeklügelten Plan locken. Zuerst aber muss sie die neuen Liebsten von Mama und Papa kaltstellen. Das Handy von Papas Freundin zu sperren, ist nicht allzu schwer, doch Mamas Freund von seinem Handy zu trennen, ist äußerst kompliziert. Superkleber, der ihn unweigerlich an ein Handtuch fesselt und ins Krankenhaus befördert und ein kurzer einsamer Moment mit seinem Handy, in dem die SIM-Karte in die Toilette plumst, kann da schon hilfreich sein.
Kurzum, Astrid sendet eine Mail an die Eltern und kündigt ihre Flucht auf die Insel an. Sie können sich nicht mehr mit ihren Liebsten kurzschließen und müssen ihrer Tochter folgen. Die Bahnfahrt klappt und die Aktion mit dem Bolzenschneider, um ein Boot mal kurz auszuleihen, auch. Aber dann wird es wirklich schwierig. Astrids erleichterte und zugleich ärgerliche Eltern finden das entflohene Kind, aber nicht mehr ihre Boote. Astrid hat natürlich das Boot ihrer Eltern vom Ufer losgemacht. Als dann ihr Vater, die Mutter kann nicht schwimmen, das Boot zurückholen will, verletzt er sich schwer am Fuß.
Pech, aber auch. Aber dann findet Astrid ihr eigenes ausgeborgtes Boot nicht mehr.

Und es kommt noch schlimmer. Die drei erkennen, dass in der Höhle, in die sie den Vater und sein kaputtes Bein geschleppt haben, bewohnt scheint. Einst gab es ja diese Geschichte von dem Einsiedler auf der Insel oder war das nur ausgedacht?

Astrid und ihre Mutter entdecken endlich ein Boot und hoffen auf Hilfe, aber die Insassen sind äußerst gefährliche Entführer und Kriminelle, die dann auch noch Astrids Papa finden. Aber irgendwie schmiedet all der Kummer und die Sorgen umeinander Astrids kleine Familie wieder zusammen. Allerdings müsste es nicht immer so aufregend sein, aber dazu ist ja Literatur da, um die Dinge etwas zuzuspitzen.

Nie wieder wird Astrid Pläne schmieden, um endlich wieder glücklich zu sein. Immerhin wird auf sie und ihre Mutter geschossen und und und….

Das ist das erste Kinderbuch des norwegischen Autors Levi Henriksen und somit endet die turbulente fast filmisch aufgebaute Geschichte mit ihren dramatischen Szenen um Astrid und ihre Eltern, die irgendwie zum Ende hin an „Die Schatzinsel“ erinnert, ziemlich gut, auch dank Astrids forscher Rettungsaktion.

Komisch, aber auch gut beobachtet ist der Blick des leicht altklugen Mädchens auf die Verhaltensweisen der Erwachsenen und ihre kleinen Schwächen. Ihre innere Zerrissenheit will Astrid nicht mehr hinnehmen, nicht mehr der Spielball der Eltern sein und ihren Seelenfrieden finden. Das klingt etwas pathetisch, aber letztendlich geht es vielen Kindern, die zwischen den Eltern stehen, so. Tröstlich und fast glaubwürdig lesen sich Astrids Abenteuer mit Happy End.