Anna Fredriksson: Apfelwetter, Aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn, Berlin Verlag, Berlin 2014, 416 Seiten, €9,99, 978-3-8333-0968-7
„Jenny bewegt sich nicht. Niemand darf sie jetzt anfassen, sonst geht sie in Stücke. Dann zersplittert sie und kann nie wieder zusammengesetzt werden.“
Vier Freundinnen, alle um 40, reisen im August von Stockholm nach Ystad, um für fünf Tage einen Fahrradausflug zu unternehmen. Irgendwie haben sie sich in den letzten Jahren aus den Augen verloren, obwohl sich Jenny, Petra, Anja und Martina schon ewig kennen.
Jenny hatte sie alle wieder zu einem Treffen zusammengerufen, denn durch sie sind sie Freundinnen geworden.
In zwei Erzählsträngen umkreist die schwedische Autorin Anna Fredriksson ihre Geschichte über Karriere, Lebenskonzepte und Freundschaft. Auf der Tour erinnert sich Jenny an das letzte Jahr, das eigentlich ihrer Karriere so richtig Aufschwung gegen sollte und in einem Disaster endete. Und es dreht sich alles um das verlorengegangene Vertrauen der Freundinnen untereinander, die sich nicht mehr die wichtigen Dinge aus ihrem Leben erzählen.
Als Administrative Chefin hat es Jenny endlich nach vielen Kursen und innovativen Ideen zu ihrem Traumjob gebracht. Allerdings stehen in der Firma, die sehr auf Gemeinschaft gerade unter den Kollegen bedacht ist, Umstrukturierungen auf der Tagesordnung. Das sorgt für ungute Spannungen zwischen den Mitarbeitern. Hinzu kommt, dass Jenny nun auf der anderen Seite steht und ihre Kolleginnen ihren Aufstieg mit Misstrauen und Neid beäugen. Außerdem sind sie der Meinung, dass die um Jahre ältere Gunilla den Posten verdient hätte. Jenny jedoch versucht mit leichten Sprüchen über die Konflikte hinwegzugehen und arbeitet härter als alle anderen. Ihr Vorgesetzter Erik, aber das bemerkt sie leider zu spät, fällt ihr ab und zu in den Rücken und nutzt ihre anfänglichen Unsicherheiten zu seinen Gunsten aus. Jenny soll die Personalkosten senken und für Leistung sorgen.
Nach und nach flattern Zettel mit gemeinen Äußerungen auf ihren Schreibtisch, die offenbar aus dem Kollegium stammen. Nur Niklas aus der IT-Abteilung wehrt sich gegen Erik und warnt sie vor der Stimmungsmache gegen sie.
Jennys Ehemann Johan distanziert sich langsam von seiner überarbeiteten Frau und sucht offenbar andere Abenteuer. Immer verzwickter wird Jennys Lage. Sie traut sich nicht mehr in den Pausenraum, schluckt ständig Tabletten gegen Sodbrennen und findet keinen Weg, die eigene Position zu stärken. Als die Kollegen sich über sie beschweren, die Situation insgesamt immer undurchsichtiger wird, feuert Erik Jenny fristlos.
Nichts von dem kann Jenny ihren Freundinnen erzählen, die jedoch bemerken, dass sie nicht nur über Johans Treuebruch enttäuscht ist.
Jede der Frauen trägt ein Geheimnis mit sich herum, aber reden können die vier erst nach einer längeren Aufwärmphase.
Es sind die Freundinnen, die, wenn es wirklich hart auf hart kommt, helfen könnten. Aber Jenny konnte in ihrem Perfektionswahn keine Hilfe annehmen. Sie hat sich, wie Johan kritisierte, zu einer Eremitin entwickelt. Nichts war mehr wichtig in ihrem Leben, nur die Arbeit zählte. Und hier hat sie, äußerlich betrachtet, versagt. All das wird Jenny auf der Tour durch die schwedische Landschaft bewusst. Sie will sich gegen das Mobbing der Kollegen wehren und ist doch viel zu sehr am Boden, um wirklich all das durchzustehen. Erst durch die Gespräche mit den Menschen, die sich wirklich für sie interessieren, wird ihr so einiges klar.
Kompakte, eingängige und vor allem kurze Titel mögen der Werbeabteilung von Verlagen gefallen, welchen Sinn allerdings „Apfelwetter“ ergeben soll, bleibt fraglich.
Und doch, diese Geschichte einer ehrgeizigen Frau, die bei allem guten Willen beruflich und privat scheitert, liest sich unterhaltsam und realitätsnah. In vielen Szenen fühlt man Empathie mit Jenny und verzweifelt, wenn sie sich kleinmacht oder einfach nur vor den Problemen wegläuft.
Auf jeden Fall ist „Apfelwetter“ eine kurzweilige, durchaus anregende Lektüre für den Sommer, auch wenn es um die Arbeitswelt und ihre Tücken geht.
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