Anna Nicholas: Das Teufelshorn, Der erste Fall für Isabel Flores, Ein Mallorca-Krimi, Aus dem britischen Englischen von Eva Regul und Alexandra Berlina, Diogenes Verlag, Zürich 2025, 416 Seiten, €18,00, 978-3-257-30113-7

„Wenn ihre Theorie stimmte, würde der Tod von Angel Tulio Mas eine wahre Büchse der Pandora öffnen, eine Büchse voller Geheimnisse und tödlicher Verhängnisse. Dessen war sie sich sicher.“

Wer im August auf die Ferieninsel Mallorca reist und Strand und Sonne genießen will, hat wenig Lust sich mit Entführungen von Kindern oder gar Drogendelikten und grausigen Morden auseinanderzusetzen. Auch Isabel Flores, einstmals sehr junge, erfolgreiche Ermittlerin in Madrid und Palma hat ihren Dienst quittiert und umgesattelt. Die Dreiunddreißigjährige übernahm die leidlich gut gehende Ferienhausvermittlung ihrer Mutter und machte daraus eine erfolgreiches Familienunternehmen.
Die britische Autorin Anna Nicholas, die auf Mallorca lebt, dichtet ihrer Hauptfigur, anders scheint es in der Vielzahl der Krimi – Veröffentlichungen nicht mehr zu gehen, natürlich auch so einige skurrile Eigenarten an. So liebt sie ihren alten Fiat 500 ohne Klimaanlage, knackt ständig Sonnenblumenkerne und hält ein zahmes Frettchen namens Furó. Sie ist klug, unabhängig und vor allem unterscheidet sie eines von ihren einstigen männlichen Kollegen, sie hört genau zu. Als dann die achtjährige Miranda Walters einfach so am helllichten Tag vom Strand verschwindet, bittet Hauptkommissar Tolo Cabot, für den Isabel, was sie nicht zugeben will, eine kleine Schwäche hat, um ihre Hilfe. Bürgermeister Bestard und das Innenministerium wollen unbedingt vermeiden, dass bekannt wird, dass ein englisches Mädchen auf der Insel einfach so verschwinden kann. Als externe Beraterin mit Polizeimarke darf Isabel nun Befragungen durchführen und sie wird sogar zu einem weiteren Tatort im Städtchen Sant Martí hinzugezogen. Bestialisch erstochen findet ein Nachbar den achtundsiebzigjährigen Einzelgänger Angel Tulio Mas in seinem Haus. An der Wand steht in seinem Blut geschrieben ein Wort: Dieb. Seltsamerweise findet die Polizei im Haus des Toten Fingerabdrücke des allseits bekannten Albaners und Drogendealers Afrim Canas. Ihm wurden zwar Drogen, die in den weitläufigen Höhlen am Teufelshorn gelagert und in Bibeln versteckt waren, entwendet. Aber diese Diebe hat er mit seinen Schlägern längst bestraft. Isabel interessiert sich nun für Mas‘ angeblich so katholisch geprägtes Leben, immerhin hat er lange in Kolumbien gelebt, und sie befragt seine Haushälterin, die unscheinbare und fromme Kolumbianerin Camila Cortez.
Isabel findet ein Foto aus vergangenen Tagen, das Mas und seine drei Freunde zeigt, die den Teufelsgruß formen. Das ruft bei Isabel erhebliche Skepsis hervor und ein entscheidendes Gespräch mit der Haushälterin, die nicht ganz die Wahrheit über den Tatabend erzählt hat, bringt Isabel auf die richtige Spur. Die Polizei, allen voran Isabels Intimfeind Capitán Gómez, verdächtigen sehr schnell den Albaner. Doch als Afrim Canas ebenfalls grausam ermordet aufgefunden wird, müssen die Polizisten doch eher Isabels Vermutungen folgen. Denn dieser Mord an Mas ist eine ausgeklügelte Rachetat, die nur einer hochintelligenten, zutiefst trauernden Person zuzutrauen ist.
Wie angehängt und ganz nebenbei löst Isabel dann auch noch den Vermisstenfall, denn Miranda ist zum Glück nicht Opfer von Pädophilen geworden. Entscheidend für Isabel ist die Tatsache, dass das Mädchen freiwillig offenbar in ein Auto gestiegen ist.
Ob die Polizei in Mallorca etwas von ihren Handwerk versteht, wenn eine freiberufliche Beraterin alles mal so neben ihrer Arbeit in der Ferienhausvermittlung löst, bleibt fraglich.
Dramaturgisch ist der erste Fall um Isabel Flores so angelegt, dass sich die Lesenden auch ein Bild von der zweiten Hauptdarstellerin, der Insel Mallorca, machen können. Richtig packend, und hier müssen die interessierten Lesenden sich doch gedulden, wird dieser Krimi erst in der zweiten Hälfte, denn der Teufel ist in mehrfacher Weise im Spiel. Isabel überzeugt durch ihre innere Ruhe, Menschenkenntnis, ihre Recherchen, ihre Beharrlichkeit und Cleverness. Und noch eine Anmerkung im Vergleich zu anderen Krimis auf sonnigen, südlichen Inseln. In dieser Geschichte wird zwar gern Kaffee getrunken, aber die kulinarischen Highlights werden nicht ständig ausgewalzt und das ist positiv.

Trotz anfänglicher Skepsis, man darf auf den zweiten Fall gespannt sein.