Alexandra Andrews: Die Assistentin, Aus dem Amerikanischen von Regina Rawlinson, Goldmann Verlag, 400 Seiten, €17,00, 978-3-442-31623-6
„Sie fühlte sich verraten und verkauft. Hatte sie nicht ihre Mutter abserviert? Warum konnte sie trotzdem nicht schreiben? Wo blieb der verheißende Schreibrausch? War diese Belohnung etwa nur Helen vergönnt?“
Um den Bucherfolg, um den eine Debütantin oder ein noch unbekannter Autor beneidet wird, und seine dramatischen Folgen drehen sich neuerlich Thriller. Mag der Vergleich mit Patricia Highsmith auf dem Cover des neuen Buches „Die Assistentin“ etwas zu hoch gegriffen sein, aber seit dem Roman „Der Plot“ von Jean Hanff Korelitz wissen wir, wie sehr sich AutorInnen wünschen, dass bedeutende KollegInnen ( in diesem Fall Harlan Coben ) ihre neuen Bücher promoten.
Im Zentrum dieses Romans steht jedenfalls die hochgelobte Maud Dixon, die mit ihrem ersten Roman einen Riesenerfolg eingefahren hat. Maud Dixon ist ein Pseudonym, hinter dem eine taffe Frau Anfang dreißig steht, die eigentlich Helen Wilcox heißt. Sie hat sich ein kleines Cottage in einer entlegenen Gegend unweit von New York gekauft und hält nur Kontakt zu ihrer Agentin.
Bei ihrer Suche nach einer Assistentin für ihren zweiten Roman wird ihr die junge Florence Darrow empfohlen. Der Sechsundzwanzigjährigen wurde gerade ihre Stelle beim Verlag Forrester Books gekündigt, denn sie hatte nach einer Liebesaffäre mit einem einflussreichen Lektor versucht, diesen zu erpressen, um ihre eigenen Short Storys unterzubringen. Florence ist das Kind einer alleinerziehenden Mutter, die die Ambitionen nach Größerem und den Ehrgeiz ihrer Tochter kaum nachvollziehen kann. Noch glaubt die eigentlich sehr unsichere, wie blasse Florence, dass sie demnächst ihren bedeutenden Roman schreiben wird, und der Job bei Helen könnte ihre viel zu frühe Schreibblockade lösen. Helen fordert viel von Florence, die langsam mit der direkten und aufbrausenden Art ihrer Arbeitgeberin umzugehen lernt.
Florence, wie viele andere, bewundert den Erstling von Helen, in dem sie von einer ungewöhnlichen Freundschaft und einem Mordfall erzählt. Immer wird natürlich darüber spekuliert, in wie fern die tragische Handlung des Romans mit Helens eigenem Leben verknüpft ist. Florence orientiert sich immer mehr an Helens Geschmack, ihre Art sich zu kleiden, ihren Lebensstil. Wenn sie wüsste, dass Helen Wilcox sie nur ausgewählt hat, weil sie ganz offensichtlich über kein eigenes Potential und keine Persönlichkeit verfügt, wäre Florence zutiefst beleidigt.
Als die beiden dann für Recherchen nach Marrakesch und weiter nach Semat reisen, häufen sich die Probleme. Helen wird immer aggressiver und Florence achtet nicht auf ihren Alkoholkonsum. Nach einem schrecklichen Autounfall, bei dem Florence mit dem Leihwagen im Meer landet und von einem Fischer herausgezogen wird, ist Helen verschwunden. Da sich Florence an nichts mehr erinnern kann und alle sie für Helen Wilcox, deren Papiere sie immer bei sich tragen musste, halten, lässt sich die junge Assistentin auf den Identitätstausch ein. Durch die Anonymität der Autorin glaubt Florence, einfaches Spiel zu haben, zumal ja schon das neue Manuskript, wie sie hofft, vorliegt. Doch sie überschätzt sich maßlos, denn Helen lebt natürlich. Als dann ein Mitarbeiter vom US-Ministerium Florence, die ja nun Helen ist, mitteilt, dass auf ihrem Grundstück eine Leiche gefunden wurde, bekommt die Handlung eine völlig neue Wendung. Ein interessantes Detail: Die USA und Marokko haben kein Auslieferungsabkommen. Will Florence um des Erfolgs willen wirklich als Helen zurückkehren und für einen Mord gerade stehen? Als Helen dann wirklich unversehrt auftaucht, wird alles noch viel komplizierter und Florence ahnt, dass ihr Leben schon lang in Gefahr ist.
Keine Frage, dieser Roman ist absolut spannend konstruiert und umkreist natürlich auch alle Fragen, die sich rund um das Verfassen eines Buches drehen. Ist nur der Plot wichtig? Was muss ein guter Autor alles können? Kann er nur schreiben, wenn er etwas selbst erlebt hat? Was macht den weltweiten Erfolg eines Romans wirklich aus? Psychologisch überzeugend agieren Alexandra Andrews Figuren am Rand des Abgrunds, von dem nur eine dann letztendlich abstürzen wird.