Eric Nil: Abifeier, Verlag Galiani Berlin, Köln 2018, 160 Seiten, €17,00, 978-3-86971-165-2
„Ich versuchte nun, fast aus Trotz, mit Bea ein Gespräch in Gang zu bringen. Aber die Themen trockneten im Nu aus, und es musste ständig neues her, das dann auch wieder nach ein paar Sätzen verdunstete. Glücklicherweise gab es ein Programm.“
Vor sechs Jahren hat sich der Erzähler von seiner Frau Bea getrennt und ist von Basel nach Hamburg gezogen. Es war aber nicht nur ein Ehebruch, sondern auch eine Trennung von den Kindern, die zu dieser Zeit im besten Teenageralter waren. Sohn Alex verweigert zunehmend den Kontakt zum Vater, Tochter Nora zieht sogar nach Hamburg als die Spannungen zwischen Mutter und Tochter unerträglich werden und die Aussicht auf ein besseres Abitur winkt.
Der Erzähler ist erneut liiert. Die Freundin heißt Johanna, ist ebenfalls geschieden und hat zwei Jungen, den kleinen Max, genannt Grübchen, und Tobias genau in Noras Alter.
Das Paar lebt nicht als Patchworkfamilie zusammen, doch man sieht sich regelmäßig auch mit den Kindern.
Und nun haben die Großen das Abitur geschafft und eine Feier steht an, bei der die Familien gemeinsam an 12er Tischen sitzen dürfen. Sehr schnell ahnt der Erzähler, dass die Tischordnung zum größten Problem werden könnte. Und es gibt einen Riesenwirrwarr, wer nun mit wem den Abend bis 22.00 Uhr, danach ist die Party für die Abiturienten, verbringen soll. Ständig wird umdisponiert und langsam wird deutlich, „es gibt keine Familien mehr, nur noch Konstellationen“. Bea und Alex reisen an und natürlich entstehen so die ersten Spannungen zwischen dem Erzähler und Johanna. Allerdings beginnen diese bereits bei der Zeugnisausgabe, bei der der Erzähler den Ex-Ehemann von Johanna kennenlernen soll. Auch wenn sich niemand das eingestehen möchte, tief im Innern vergleicht jeder jeden und fragt sich, warum hat es nicht geklappt, auch wenn man wie Johanna zum Beispiel achtzehn Jahre verheiratet war. Grübchen ist bei der Zeugnisausgabe voller Aufregung nur auf seinen Vater orientiert, dabei verbringt der Erzähler bedeutend mehr Zeit mit dem Jungen. Allerdings legen die Kinder viel Wert darauf, immer zu betonen, dass die Partner der jeweiligen Elternteile nicht die leiblichen Eltern sind. Als Beobachter, auch der anderen getrennten Paare auf dem Abiball, spart der Erzähler nicht mit Konfliktgeschichten der anderen Hamburger Familien. Als die Moderatoren des Abends sich sehnlichst wünschen, dass die einst angetrauten Eltern, mutmaßlich ist die Hälfte der Eltern im Saal geschieden, einen Walzer zusammen tanzen, wird es wieder melancholisch. Unsicherheit, Hilflosigkeit, Eifersucht und viel Bier spielen an diesem Abend, der ja den Kindern gehört, bei den Erwachsenen eine Rolle, aus der allerdings niemand fällt. Nur der Erzähler hat wenig Taktgefühl und sorgt einen Tag nach der Abifeier für einen Eklat.
Mit Augenzwinkern und leiser befangener Wehmut erzählt Eric Nil von Momenten der erneuten Begegnungen und des Abschieds. Allerdings geht er nie in die Tiefe, dringt nie zum wahren Schmerz vor, wenn zum Beispiel sein Sohn Alex und er sich nach fünf Jahren Funkstille begegnen. Er gestattet sich zwar einen Tagtraum und geht aber schnell zur Tagesordnung über. Nie wird erklärt, warum der Erzähler mit seiner Frau nicht mehr leben wollte, die nicht immer frisch gewaschenen Haare können nicht der Grund sein. Ja, die Story plätschert so dahin, spiegelt das wahre Leben in all seinen Absurditäten, ist ganz witzig erzählt und doch nur ein Draufblick ohne Erkenntnisse.
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