A.K.Turner: Was die Toten sehen, Aus dem Englischen Marie-Luise Bezzenberger, Droemer Verlag, München 2025, 365 Seiten, 18,00, 978-3-426-562826
„’Der Neandertaler und die Eisprinzessin.‘ Cassie musste sich ein Lächeln verbeißen. Die beiden würden bestimmt jede Menge Spaß beim Zusammenarbeiten haben.“
Wer die Reihe mit Cassie Raven kennt, dem muss man sie nicht vorstellen. Für alle, die neu einsteigen, diese Infos: Cassie Raven ist eine eigenwillige junge Frau, die in Camden als Sektionsassistentin in der Pathologie arbeitet. Mit ihrer Punkfrisur, den Percings und Tattoos ist die Vegetarierin im London unserer Tage eine ziemlich auffällig Frau, zumal ihre Arbeit, die sie liebt, auch nicht gerade gewöhnlich ist. Und dann lebt sie auch noch mit ihrem Freund Archie, ebenfalls Pathologe in einem Kanalboot. Da die Siebenundzwanzigjährige nicht gerade bindungsfähig ist und auch noch bi, hält auch diese Beziehung nicht lang. Cassie redet gern mit den Toten und das ist zum Teil sehr berührend. Die Eisprinzessin ist Phyllida Flyte, ehemals DS und nun Ermittlerin des Independent Office for Police Conduct. Zwischen Flyte und Cassie knistert es immer ein bisschen, aber beide sind doch auch sehr verschieden. Und der Neandertaler ist DI Alvin Bacon, der durch seine übergewichtige Erscheinung und flapsige Ausdrucksweise mit Flyte so einige Probleme hat, allerdings auch ein guter Beobachter und Polizist ist. Flyte jedenfalls muss nun in ihrer alten Dienststelle Befragungen durchführen, da die Polizei schlampig gearbeitet hat und vorschnell einen Selbstmord angenommen hat, der durch Cassies Untersuchungen eindeutig widerlegt wurde.
Sophia Angelopoulos, bekannt als Bronte und angehender Popstar, ist von ihrer Wohnung angeblich mit Drogen zugedröhnt in die Tiefe gesprungen. Im gleichen Alter wie Cassie gingen die beiden sogar in die gleiche Klasse und kannten sich. Auf seltsame Weise sprechen die Toten mit Cassie und auch Sophia scheint etwas zu sagen. Sophias Eltern, die eher wie Hund und Katze sind und getrennt leben, klagen gegen die Polizei und fordern eine gründliche Untersuchung. Und so kommen Flyte und DI Bacon, der ständig etwas futtern muss, ins Spiel. Als Cassie dann, einer Eingebung folgend, Sophias Nagellack entfernt, wird deutlich, sie ist nicht freiwillig in die Tiefe gesprungen.
Aus der Sicht von Flyte verfolgen die Lesenden nun die Befragungen und Recherchen der Polizei und aus Cassies Perspektive gewinnen sie einen Eindruck von der akribischen Arbeit mit Leichen und Cassies Privatleben. Schnell wird klar, dass Sophia am Anfang einer großen Karriere stand, doch es gab Konflikte mit der Plattenfirma, ihrem On- und Off- Freund Ethan Fox und mit dem miesen und übergriffigen Producer SkAR. Und dann sind da noch die gesundheitlichen Probleme, mit denen sich Sophia herumschlagen musste und ihre auch sehr anhängliche und stets besorgte Mutter.
Cassie, Flyte und DI Bacon jedenfalls werden diesen mysteriösen Fall lösen und in Familienstrukturen eintauchen, die mehr als beängstigend sind. Als Nebenhandlung setzt sich A.K.Turner auch noch mit den sozialen Medien und den Influencern, den selbsternannten Detektiven, auseinander, die Cassie wegen ihrer Oberflächlichkeit und Impertinenz nur verachtet.
Gut durchdachter Plot, ambivente Figuren, spannend erzählt!