Simon Mason: Mondpicknick, Aus dem Englischen von Gerda Bean, Carlsen Verlag, Hamburg 2013, 302 Seiten, €14,90, 978-3-551-58282-9
„Papa war damals noch nicht komisch. Er war überhaupt erst komisch geworden, als sie in das neue Haus zogen. Es war, als ob er sich im alten Haus mit den alten Teppichen und Vorhängen zurückgelassen hätte und jemand anderes geworden wäre. Aber das ergab überhaupt keinen Sinn.“
Die elfjährige Martha und ihr fünfjährige Bruder Tug wissen nicht, was mit ihrem Papa los ist. Er hat seine Arbeit als Kameramann gekündigt, ein kleines, ziemlich heruntergekommenes Haus gemietet, sich mit den Schwiegereltern verkracht und vergisst alles, was man mit ihm bespricht. Vor zwei Jahren ist seine Frau, eine erfolgreiche Schauspielerin, plötzlich verstorben. Tug kann sich kaum an die Mutter erinnern, Martha erzählt ihm ab und zu von ihr. Der Vater jedoch hat alle Erinnerungen an seine Frau gelöscht, kein Foto existiert, er spricht nie über sie.
Martha ist ziemlich hilflos, wenn ihr Vater sich wie ein pupertierender Teenager benimmt, an Häusern hochklettert und tief fällt, Blödsinn redet und vor allem sich nicht um Tug kümmert. Martha übernimmt auch diese Aufgabe. Sie belegt einen Kochkurs, denn der Vater kauft nicht ein und kocht auch nicht.
Dafür verschwindet er einfach, kommt tief in der Nacht zurück, weckt die Kinder und veranstaltet mit ihnen im nahegelegenen Park ein Mondscheinpicknick. Das mag romantisch sein, wenn Martha nicht am nächsten Tag Schulunterricht hätte.
Martha übernimmt immer mehr Verantwortung, fertigt Listen an, denn sie will wenigstens in der Familie „ einen klaren Kopf behalten“, damit nicht alles schief läuft. Neben ihrem Kochkurs belegt sie auch noch einen Schneiderkurs, um Kostüme für ihren verrückten Freund Marcus anzufertigen. Der Schulkamerad dreht seine eigenen Filme nach großen Vorbildern und Klassikern, Casablanca oder Doktor Schiwago.
Martha hofft, wenn der Papa wieder einen Job, eine Freundin und eine sportliche Betätigung findet, wird alles gut. Als die Kleinfamilie dann im Schwimmbad Laura und ihre Mutter Olivia kennenlernt und der Papa sie zum Essen einlädt, hofft Martha auf eine Verbesserung der Lage. Aber schnell wird klar, Marthas Papa kann sich nicht mehr normal benehmen. Er ist entweder extrem überdreht, lacht ständig und benimmt sich absolut peinlich oder er ist deprimiert. Bei diesem Besuch geht alles schief und Laura fragt Martha, seit wann ihr Vater heimlich trinkt.
Nun suchen Martha und Tug das Haus nach Alkoholflaschen ab und werden fündig. Der erwischte Alkoholiker streitet alles ab, erfindet Erklärungen und wehrt sich gegen die Angriffe der Schwiegereltern, die mit dem Jugendamt drohen.
Martha beginnt sich für ihren Vater zu schämen. Als er nach einer trockenen Phase mit tausend Versprechungen dann wieder rückfällig wird und mit Martha einen Autounfall verursacht, ist das Maß voll.
Tug und Martha ziehen zu den ungeliebten Großeltern. Martha, die immer, in jeder noch so peinlichen Situation zu ihrem Vater gehalten hat und sogar Rat vom verschwiegenen Hausarzt erhoffte, kann ihren Papa nicht mehr sehen.
Sie spürt, dass er Hilfe benötigt und Loyalität sein Suchtverhalten nur noch bestärkt.
Im strengen Haushalt der Großeltern, in dem Martha nun nicht mehr nach Lebensmitteln und einem Abendessen für Tug suchen muss, ist alles da, nur keine Liebe oder Verständnis. Wenn Martha die Oma beschwichtigen muss, da Tug wieder irgendeinen Blödsinn angestellt hat, muss sie nur das Thema auf die verstorbenen Mutter lenken und die Oma schwelgt in ihren Erinnerungen. Auch wenn die Kinder wissen, dass ihr Vater seine Probleme allein lösen muss, hoffen sie immer auf ein Wiedersehen.
Die Geschichte wendet sich zu einem guten, hoffnungsvollen Ende und sicher sollte das in einem Kinderbuch auch so sein. Nicht immer, auch das wird angedeutet, finden Familienmitglieder, die süchtig sind, wieder zurück ins normale Leben. \r\nSimon Mason, der für seine fröhlichen und komischen Quigleys bekannt ist, erzählt konsequent aus Marthas Blickwinkel eine bittere, aber doch berührende ganz andere Familiengeschichte. Vordergründig dreht sich alles um die hilflosen Beobachtungen und diffusen Ängste der jungen Protagonisten, die das langsame Hineinrutschen in die Alkoholabhängigkeit des Vaters nicht verstehen können. Sie finden nur das Wort \“komisch\“, um die Situation mit dem veränderten Papa zu beschreiben. Ohne zu psychologisieren oder zu erklären, zeigt der britische Autor schonungslos alle schmerzhaften Stationen, die mit der Krankheit zusammenhängen. Klar ist, in dieser Familie ist vieles nicht mehr in Ordnung und am schlimmsten ist für die Kinder und den Vater der nicht wieder gut zu machende Vertrauensverlust. Kein einfache Lektüre, aber lohnenswert.
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