Robert M. Sonntag: Die Scanner, KJB, S. Fischer Verlag, Frankfurt a.Main 2013, 190 Seiten, €12,99, 978-3-596-85537-7

„ Und die werden einfach so meine Freunde?“, fragte er und machte eine Pause. „Schöne neue Welt, oder?“

2034 – So schön und neu ist diese Welt gar nicht, denn jeder, der sich in der A-Zone etabliert hat, schwebt in der panischen Angst durch Karriereeinbruch in die C-Zone abzurutschen. Das reale Leben, so man es wünscht, findet öffentlich statt, alles kann ins sogenannte Ultranetz gestellt werden. Sogar seinen Freitod kann man inszenieren, ins Netz stellen und den Schuldigen anklagen. In der schönen neuen mitleidlosen Welt leben die Menschen keimfrei und haarlos in Wohnblocks, Familien dürfen nach einem Finanzcheck höchstens ein Kind aufziehen, das Essen wird mit Aromazusätzen chemisch hergestellt und die Werbung verkleistert das Denken, beherrscht die Menschen in fast jeder Minute, in der sie ihr unverzichtbares Mobril tragen und berieselt werden. Die Eltern des 25-jährigen Ich-Erzählers Rob arbeiten rund um die Uhr oder schlafen. Da Rob sein Altwissen-Studium nicht finanzieren konnte, ist er nun als Scanner mit seinem Freund aus Kindertagen, Jojo, unterwegs. Die Scanner kaufen Leuten ihre Bücher ab, scannen sie für das Ultranetz und übergeben sie der Scan AG. Ziel der Aktion – eine papierfreie Welt.

Als Rob und Jojo Arne Bergmann, den seltsamen Typen mit den langen Haaren, kennenlernen, der ihnen sogar freiwillig sein Buch überlässt, ist Robs Neugier geweckt. In der schönen neuen Welt bleibt nichts unbeobachtet und der verhasste Chef der jungen Männer erkennt schnell, mit wem die beiden es tun hatten. Arne Bergmann ist ein Radikaler, auf dessen Kopf eine Prämie ausgesetzt ist. Rob will sich mit Arne in der C-Zone treffen, um mit dem auf ihn ausgesetzten Kopfgeld endlich eine Zeit lang frei zu leben. Aber alles kommt ganz anders, denn Arne ist klug genug, Rob zu misstrauen. Der junge Mann berichtet niemandem von diesem Treffen im Dunkeln, denn er erkennt die Stimme seiner Professorin, die er sehr geschätzt hat und die nun zur Büchergilde gehört.

Keine Frage, schnell wird klar, das Leben der Menschen wird in der Zukunft vom Ultranetz dominiert und manipuliert. Alle Aktionen, die das Ultranetz und der Menschen, die dahinter stehen, starten und den Radikalen in die Schuhe schieben, dienen dazu, alle nur noch mehr mit zensierten Infos zu versorgen. Packt die Geschichte am Anfang den Leser, so giert er aber auch schnell nach der Auflösung all ihrer Ungereimtheiten. Die Plotfixierung des Romans überträgt sich zu schnell auf den Leser, der nur noch wissen möchte, wie es am Ende ausgeht. Aber da passiert nicht viel.

Rob hat noch nie ein Buch gelesen, weder ein echtes noch eins, das angeblich ins Ultranetz gestellt wurde, denn er findet alles Textliche langweilig. Seltsam und unglaubwürdig nun, dass er der Verfasser des Buches „Die Scanner“ sein wird.

Robert M. Sonntag oder eher Martin Schäuble hat sich eine Zukunftsgeschichte ausgedacht, deren Figuren in den verschiedenen Lagern einfach nicht funktionieren und auch im Laufe der Handlung nie lebendig werden. Sie scheinen wie aus einem Baukasten lieblos zusammengesetzt. Plötzlich jedoch sterben Menschen, aber diese Tode berühren kaum. So stirbt der ehrgeizige, wie unberechenbare Chef der Jungen, Nomos, bei einem Unfall. Er ist schnell ersetzbar.

Jojo tötet sich, weil seine Freundin, die er nie gesehen hat, außer in Filmen und virtuellen Begegnungen, ihn angeblich betrügt. Rob trifft wirklich ein Mädchen, das ihm gefällt, aber sie gehört zu den Radikalen und kann seine Idee, das Kopfgeld für Arne zu teilen, nicht gutheißen. Rob selbst wird in die Intrigen von Ultranetz hineingezogen.

Die Verschärfung und Verschlechterung des wahren Lebens in der Zukunft durch ein neues Facebook, Werbemanipulationen und einen Überwachungsstaat sind nicht sonderlich originell, genauso wenig wie die Lobpreisung der Bücher und der existentielle Kampf der wahren Buchagenten und Händler ums bedruckte Papier. \n\nSoll die extreme Überspitzung all der technischen Neuheiten, der vorhandenen Netzwerke und der oberflächlichen Medien, die in unserer Gegenwart bereits vorhanden sind und in der Kritik stehen, aber bedenkenlos von Millionen genutzt werden, den Leser warnen und sensibler werden lassen für die Offenlegung eigener Daten, Befindlichkeiten und Privatem? Der ständige Wink mit dem ganzen Zaun nervt, auch jugendliche Leser.

Der Geschichte fehlt, und hier liegt der eindeutige Mangel, ein überzeugender, spannender Plot, der im Nachhinein beschäftigt, zu Gedankenspielen anregt und nicht nur berühmte Vorgänger, wie Georg Orwell, Ray Bradbury oder Aldous Huxley zitiert.