Will Wiles: Die nachhaltige Pflege von Holzböden, Aus dem Englischen von Sabine Lohmann, carl’s books, München 2013, 285 Seiten, €14,99, 978-3-570-58505-4

„Undenkbar, das Oskar ihn übersehen könnte. Auch wenn ich Experte darin war, mich aus der Verantwortung zu stehlen, das hier ging über meine Kräfte. Ich wusste, ich hatte mir einen Minuspunkt eingehandelt, gleich an meinem ersten Tag als Haushüter.“

Oskar, der begnadete Komponist und Dirigent, und der Ich-Erzähler dieser Geschichte hatten sich beim Studium in London kennengelernt. Nun Jahre später richtet Oskar, der mittlerweile wieder in seiner osteuropäischen Heimat wohnt (der Ort wird nie genannt, aber der Hinweis auf den „Pfähler“ lässt Bucarest vermuten ), eine Bitte an den Freund. Er möge doch seine Wohnung hüten, denn Oskar muss nach Kalifornien reisen, um sich von seiner amerikanischen Frau scheiden zu lassen. Der Ich-Erzähler kennt Oskar ziemlich gut, weiß um seine penible Art, seinen fanatischen Ordnungssinn und seine Ansprüche an sich als Perfektionisten und andere. Oskars Kontrollwahn bekommt der Ich-Erzähler, gleich beim Betreten der Wohnung zu spüren. Überall sind Zettel mit Mitteilungen, aber auch sehr ausführlichen Anweisungen verteilt, die zeigen, Oskar hat sich nicht geändert und sich wie immer viele Gedanken gemacht. Die Luxuswohnung inmitten der heruntergekommenen Stadt gelegen, Trambahnen quietschen vorbei, lässt an gutem Geschmack nichts zu wünschen übrig. Besonders wertvoll in der exakt aufgeräumten Wohnung ist der Fußboden, eine Spezialanfertigung aus französischer Eiche, und darum höchst sensibel zu behandeln.

Der Ich-Erzähler, der ein ziemlicher Chaot ist, ignoriert natürlich Oskars Untersetzer-Manie und verursacht gleich am ersten Abend einen Rotweinglasrand auf dem noblen Boden. Die guten Vorsätze des Ich-Erzählers die Zeit zu nutzen und mal nicht Broschüren, sondern Bedeutenderes zu schreiben, werden alle von seinem exzessiven Alkoholkonsum umgeworfen. Die Wohnung und der Ort, an dem sich der Ich-Erzähler äußerst unwohl fühlt, besonders in Gegenwart der keifenden Hauswartsfrau, bringen ihn fast um den Verstand. Ein Ungeschick folgt dem nächsten und es dauert nicht lang und aus einem kleinen Fleck ist ein riesiger Fleck in der Küche geworden. Der Ich -Erzähler leidet unter Schweißausbrüchen, ergeht sich in Schimpftiraden und unfreiwillig komischen Verrenkungen und natürlich befallen ihn Gewissensbisse, denn nichts aber auch gar nichts ist in der Wohnung nach ein paar Tagen so, wie zu dem Zeitpunkt als er sie betreten hat. Der absolut cleane Zustand ist nicht mehr erreichbar. Dabei, so resümiert der Erzähler, „Fingerabdrücke sind die Visitenkarte der Menschhheit.“ Allerdings nicht in Oskars Wohnung.

An jedem Ort, ob in den CDs oder in der Putzmittelsammlung befinden sich kurze, manchmal auch ziemlich unterstellende Notizen für den Wohnungshüter. Der Ich-Erzähler hat auch Gesellschaft, denn Oskar besitzt zwei Katzen, benannt nach russischen Komponisten Schossy und Strawi. Natürlich vergisst der Haussitter mit seinem Hang zur Nachlässigkeit, das Katzenklo zu reinigen, seine Sachen liegen herum und seine „Untersetzerverweigerung“ hat Folgen. Und dann schlägt eine Katze auch noch ihre Krallen ins Ledersofa. Wie schön wäre es, wenn der Erzähler die Zeit um Minuten zurückdrehen könnte. Aber es kommt noch schlimmer und der Erzähler beginnt langsam an sich und seiner Freundschaft mit Oskar, die sicherlich dem Ende zugeht, nachzudenken.

Der hartnäckigste Feind des Wohnungshüters ist jedoch der wertvolle Boden. Als er sich dann ausgiebig mit der Pflege der französischen Eiche beschäftigt und ein Buch dazu wälzt, macht er eine erstaunliche Entdeckung. Es ist noch nicht aller Tage Abend.

Der englische Autor Will Wiles hat in seinem Debüt äußerst unterschiedliche Lebensformen aufeinanderprallen lassen. Auf der einen Seite lernt der Leser einen kreativen Kulturmenschen mit Ambitionen kennen und auf der anderen den Erzähler, der wohl eher alles auf sich zukommen lässt und dessen Wohnung im Vergleich zu Oskars kaum vorzeigbar ist.\r\nHilf- und kopflos agiert der Haushüter und rutscht von einem Disaster ins nächste. Das hinter dieser ganzen Wohnungsgeschichte mehr als nur die Angst vor Einbrechern stecken könnte, leuchtet dem Erzähler erst ziemlich spät ein.

Wozu sich einfach mal gehen lassen und einfach nur leben – ohne Untersetzer für die Rotweingläser – führen kann, erzählt diese unterhaltsame, kurzweilige Geschichte auf skurrile Weise.