Lola Renn: Drei Songs später, Bloomon bei ArsEdition, München 2013, 159 Seiten, €12,99, 978-3-7607-9913-1
„Mein Körper ackert, und ich bin glücklich. Hier ist es gut.“
Die 16-jährige Zeta kann sich nur während des Ballettunterrichts entspannen, in den Momenten, in denen sie eins mit ihrem Körper ist und endlich das machen kann, was sie wirklich gut beherrscht. In der Schule läuft es nicht so besonders, gerade in Mathematik und Physik kann sich Zeta nicht konzentrieren und verhaut eine Arbeit nach der anderen. Ihren Traum von der Royal Ballet School kann sie wohl weiterträumen, denn ihr dominanter Vater und die unterwürfige Mutter nehmen sie nicht ernst. Sie sind der Meinung, Zeta sei zu alt für eine Tanzkarriere und den Wechsel zum musischen Gymnasium, den sogar ein Lehrer empfiehlt, kommt schon gar nicht in Frage, denn das dortige Abitur habe keinen Wert, so die Meinung der Eltern. Zetas Freundin Sarah, sie lebt gleich in der Wohnung über Zeta, versteht ihre Freundin, helfen jedoch kann niemand. Zu den schulischen Problemen kommt hinzu, dass Zeta in kurzen Abständen unter extremem Nasenbluten leidet und der Kreislauf den Blutverlust nicht verkraftet.
Wie einem Kleinkind zwingen die Eltern Zeta ihren Willen auf, verstehen nicht, dass sie ihre eigene Meinung hat und eigene Vorstellungen vom Leben. Beide Eltern trinken jeden Abend mehrere Flaschen Bier und Wein. Die Stimmungsschwankungen des Vaters sind unberechenbar, er neigt zu Wutausbrüchen, wenn er Widerworte hört, ist reizbar und ein kleinkarierter Geist.
Niemals würde er dem Gymnasiumswechsel zustimmen und er ordnet an, dass Zetas Nase operiert werden soll. Klar ist aber, dass das Nasenbluten ganz andere Ursachen haben kann. Zeta wehrt sich im Alltag so gut sie kann gegen die Attacken ihres Vaters, sie nimmt hin, dass in ihrem Zimmer die Heizung nicht funktioniert, weil die Eltern die Bedürfnisse ihres Kindes ignorieren. Niemand aus der Familie steht auf Zetas Seite. Ihre Freundin Sarah, deren Mutter, die Medizin studiert und auch Micha, Zetas Freund, halten zu dem Mädchen und helfen gemeinsam mit Zetas Lehrer, sie aus dem Familienverband zu befreien.
Lola Renn stärkt mit ihrem Debüt Jugendliche, die sich innerhalb der Familie nicht verstanden fühlen und genau wissen, dass sie einen anderen Weg gehen wollen als den, den die Eltern erwarten und einfordern. Am Schlimmsten ist der Vertrauensverlust, den Zeta spürt. Ihre Eltern halten sie klein, entmündigen sie und bringen ihr keinen Respekt entgegen. Zum Glück ist das Mädchen eine starke Persönlichkeit, die sich nicht dem Diktat ihres Vaters unterordnet und Streit aushalten kann. Zeta stammt nicht aus der sozialen Unterschicht, sie wird nicht geschlagen oder auf andere Weise gedemütigt, aber sie ist unter psychischem Druck, der sich durch das Nasenbluten körperlich ausdrückt. Ihre verunsicherte Mutter, die in ihrem Atelier als Malerin selbstbewusst auftritt, zu Hause aber das Mauerblümchen spielt und dem Vater zum Munde redet, ist wohl die traurigste Figur in diesem gut geschriebenen, realistischen Roman.
Auf ihrer Website www.lolarenn.de findet der Leser wichtige Adressen, an die er sich wenden kann, wenn er in eine ähnliche Lage wie Zeta gerät. 0),
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