Chris Priestley: Mister Creecher, Aus dem Englischen von Beatrice Howeg, Bloomoon, arsEdition, München 2013, Seiten €16,99, 410 Seiten, 978-3-7607-9928-5

„Auch wenn er nicht hätte sagen können, warum, irgendwie schien der Gedanke, ein weibliches Geschöpf zu erschaffen, ein noch größeres Verbrechen gegen die Natur zu sein.“

London, 1818: Der elternlose Billy, der in London durch die Straßen zieht und Leute um ihre Geldbörsen erleichtert, stößt auf einen scheinbar Toten, dem er noch schnell die Taschen ausleeren könnte. Als plötzlich der miese Fletcher und seine Kumpane auftauchen, gerät Billy in Erklärungsnöte, denn er schuldet ihnen Geld. Die vermeintliche Leiche wird jedoch Billy vor den Angreifern retten. Der Taschendieb und der ungewöhnlich große, unangenehm riechende und durchaus furchterregende Mann mit der schlaffen Haut helfen einander und werden langsam Freunde. Billy nennt den Unbekannten Creecher, nachdem dieser sich als Kreatur vorstellte. Billy soll für Mister Creecher einen Mann namens Frankenstein beobachten, Mister Creecher sorgt im Gegenzug für Billys Sicherheit und die eine oder andere Dieberei, die glimpflich abgeht, da sich alle Leute vor Creecher erschrecken und die Flucht ergreifen.

Mit der Observation des fremden Mannes und Billys neuer Bekanntschaft verbessert sich sein Leben schlagartig, er kann sich ordentliche Kleidung kaufen und zu essen gibt es immer, obwohl Creecher kein Fleisch ist. Billy ahnt, dass mit Creecher und Frankenstein irgendetwas nicht stimmen kann. Als guter Beobachter hat Billy eine Nase für Ungereimtheiten. Als er dann jedoch von Creecher erfährt, was ihn mit Frankenstein verbindet, ergreift er erst einmal die Flucht. Mister Creecher wurde vom Naturwissenschaftler Frankenstein erschaffen. Er ist kein Mensch, oder doch?

Als Creecher zum Leben erweckt wurde, konnte Frankenstein die Ereignisse nicht mehr aufhalten und ein schreckliches Unglück geschah. Seitdem ist Creecher auf sich gestellt, fordert aber von seinem Meister eine Lebensgefährtin. Billy schaudert bei dem Gedanken, dass der unsterbliche Creecher mit einer Frau zusammen, auch wenn es in der Wildnis Südamerikas sein sollte, eine Familie und somit eine neue Generation von „Riesen“ begründen würde.

Billy soll Frankenstein nun verfolgen, um zu sehen, ob dieser wirklich an seinem neuen Projekt arbeitet. Creecher sehnt sich nach einer Frau und einer Familie. Der Junge merkt schnell, dass er ohne Creecher nicht mehr klar kommt. Doch beider Freundschaft ist äußerst belastet von Krisen, denn Creecher kann genauso wie Billy sehr wütend werden. Beide spüren, dass sie Außenseiter sind, einsam und voller Hass auf die Welt und ihre Ungerechtigkeiten.
Creecher liest viel, um zu verstehen, was mit ihm geschehen ist. Als die beiden London verlassen und Richtung Norden Frankenstein hinterher reisen, verändert sich vieles in Billys Leben. Gemeinsam mit „Brownings Monstrositätenschau“, eine Art Zirkus, reisen die beiden relativ ruhig nach Schottland. Creecher jedoch hasst es wie ein Wunderwerk ausgestellt zu werden, er sehnt sich nach Normalität.

Billy wird die Liebe und das Gefühl des Verlustes kennenlernen und er wird erkennen, wie er leben will. \r\n\r\nAls Frankenstein seinen Beobachter Billy dann in die Finger bekommt, hört Billy die Geschichte von Creechers ersten Tagen auf der Erde von einer anderen Seite.

Billys und Creechers Wege trennen sich und der Leser muss sich seinen Teil denken oder auf Empfehlung des britischen Autors die Bücher weiterlesen, die ihn zu seiner Geschichte von Mister Creecher angeregt haben:
Charles Dickens: Oliver Twist
Mary Shelley: Frankenstein
Robert Louis Stevenson: Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Chris Priestley vermag es, wie bereits in seinen „Schauergeschichten“, anschaulich und spannend zu erzählen. Wer sich auf Billy und Mister Creecher einlässt, will unbedingt wissen, was diese seltsame Schicksalsgemeinschaft zusammenhält und was hinter allem steckt.