Camille de Peretti: Der Zauber der Casati, Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel, Rowohlt Verlag, Hamburg 2013, 253 Seiten, €16,99, 978-3-644-02601-8
„Vielleicht hat mich das am meisten fasziniert, das rauschhafte Untergehen. Mich, die ich so vernünftig bin.“
Eine Schriftstellerin spürt einer anderen besonderen Person nach, die einst voller Glamour im Mittelpunkt der Gesellschaft stand. Es ist die Marchesa Casati, eine Frau, die mehr als alle anderen Diven porträtiert und gemalt wurde. Heute kennen nur noch wenige ihren Namen. Camille de Peretti, selbst einst Muse, betrachtet ihre zum scheitern verurteilte frühe Ehe mit ihrem egozentrischen Maler-Ehemann Caesar und versucht gleichzeitig „ganz und gar subjektiv“ das Leben der Casati zu verstehen, einer Frau, die reich geboren als Lumpensammlerin enden wird.
Ein amerikanischer Regisseur, bei dem Camille in New York immerhin ein paar Drehtage unter finanziell erbärmlichen Umständen hinter sich gebracht hat, schenkte ihr eine Biographie über Luisa Casati. 1881 in eine wohlhabende Familie, der Vater war Textilfabrikant, in der Nähe von Mailand hineingeboren, sehnte sich das Kind schon früh nach Aufmerksamkeit und Zuneigung. Camille entschließt sich zum chronologischen Erzählen, immer von ihren Beschreibungen ihres eigenen Lebens unterbrochen. \r\nAllerdings soll es ja keine klassische Biographie werden, denn „ ich habe schöne Lügen immer gemocht, im Leben wie in der Literatur.“
Und so begibt sich die Autorin mit viel Fantasie auf die Spuren der Frau, die das wahre Leben unbedingt kennenlernen will. Eine langweilige Kindheit an der Seite ihrer Schwester, die Eltern starben früh, prägte den Wunsch, anders zu sein, etwas zu erleben. Die vernunftorientierte Ehe und ein Kind sind nicht das, wovon sie träumt. Erst die Begegnung mit Gabriele D‘ Annunzio, dem erfolgreichen Autor, Dandy und Partylöwen, eröffnen ihr nicht nur eine neue Leidenschaft zu einem nicht gerade äußerlich attraktiven Mann, sondern auch offene Türen zur Selbstdarstellung als Diva oder Femme fatale. Luisa Casatis Mann, der finanziell von ihr abhängig war, toleriert das Verhalten seiner Frau, er frönt seinen eigenen Passionen, u.a der Jagd.
Die Casati wird viel Geld ausgeben, für Häuser, Einkäufe von seltsamen Trophäen, Reisen und natürlich extravaganter Kleidung. Der überraschende, gewagte Auftritt in großer Gesellschaft war für sie der wichtigste Augenblick in ihrem Leben. Und was sagt die Autorin zu diesen Events: „In ihrer zutiefst leeren Welt spürte sie allem nach, was ihr ein wenig Adrenalin verschaffen konnte. Sie hatte eine entsetzliche Angst, sich zu langweilen,..“ So lange sie über die finanziellen Mittel verfügt, lebt sie immer am Rand zum Größenwahns. Sie baut in Rom, lebt in der Pracht Venedigs, im Gebäude, in dem heute das Guggenheim Museum zu finden ist, aber auch an vielen weiteren Orten.
Egozentrisch, extrovertiert, dekadent, durchaus arrogant und selbstverliebt fördert sie Maler, wird zur Muse, Geliebten und hofft auf den Status des lebenden Kunstwerks. Sie kannte Picasso, Filippo Tommaso Marinetti, Isadora Duncan, Nijinsky, Giovanni Boldini, Roberto Montenegro, Umberto Brunelleschi, Georges Goursat, Giulio de Blaas, Alberto Martini, Man Ray und Adolphe de Meyer. Alles ist für sie käuflich, ein Liebe entflammt, um sie dann schnellstmöglich wieder zu vergessen. Sie umgibt sich mit Geparden, Pavianen, Krokodilen, Papageien oder Äffchen und ist sich für keinen Zirkus zu schade. Und die Casati verliebt sich auf Capri zum ersten Mal wirklich, in eine Frau, eine Malerin, Romain Brooks, und zerstört mit ihrer selbstorientierten, unberechenbaren Extravaganz diese Beziehung.
Letztendlich ist sie mit 56 Jahren Pleite und hat noch viele Jahre vor sich. Ihre Verschwendungssucht, die Gier nach Anerkennung und die innere Leere, die mit Sinnlosigkeiten ausgefüllt werden musste, trugen zu ihrem finanziellen Fiasko bei. Ihre knallroten Haare, die mit Kajall umrandeten schwarzen Augen vertreiben die Männer nun eher, als dass sie sie anziehen. Aber Künstler, die sie einst protegierte, helfen nun ihr. Niemand sollte ihr Geld geben, bemerkte ihre Tochter, die nie eine Beziehung zur fremden Mutter aufgebaut hatte, denn sie würde es nur für Opium oder Alkohol ausgeben.
Ein trauriges Ende, 1957, in London in einer kleinen Wohnung steht dieser schillernden Frau bevor.
Auch die Autorin schaut auf das Ende ihrer Ehe mit dem undankbaren Pseudo-Maler, der das Arbeiten nicht erfunden hat.
Voller Spannung liest man von dieser so hemmungslosen, arroganten und doch sich so sehnenden Diva. Die Idee, beide Biografien zu verbinden, geht nicht auf, denn letztendlich schillert nur das überschäumende Leben der Casati, dank ihrer Freiheit zu tun und sich zu trauen, was sie wollte.
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