Håkan Nesser: Am Abend des Mordes, Aus dem Schwedischen von Paul Berf, btb, München 2012, 480 Seiten, €19,99, 978-3-442-75317-8
So war das damals, dachte sie, damals, als es noch Scheidewege und Illusionen gab.
Dieser Roman ist nun definitiv der letzte Krimi mit Inspektor Gunnar Barbarotti, sagte der schwedische Autor Håkan Nesser auf der Frankfurter Buchmesse.
Schade, denn irgendwie hatte man sich an den kontemplativen, gern mit Gott plauschenden Ermittler gewöhnt. Dieses Mal jedoch benötigt er viel Zuspruch von himmlischer Seite, denn die Geschichte beginnt mit einem tragischen Paukenschlag: Barbarottis Frau Mariannne stirbt über Nacht an seiner Seite.
Um den Inspektor nicht in die aktuelle Tagesmühle einzuspannen, beschließt sein Chef, der bald in Pension geht, ihm einen alten Fall zu geben. Vor fünf Jahren ist Arnold Morinder verschwunden. Seine Lebensgefährtin Ellen Bjarnebo gerät sofort ins Visier der Polizei, denn sie hat für einen Mord zehn Jahre in Haft gesessen. Laut Bericht hatte sie ihren Ehemann Harry erschlagen und als gelernte Schlachterin in viele Einzelteile zerlegt und im Wald äußerst schlampig versteckt. Damals lebte sie mit ihrem 12-jährigen Sohn Billy, der kaum sprechen wollte, auf einer kleinen Farm.
Barbarotti wird das Gefühl nicht los, er wird nur beschäftigt und geschont. In seinen Ermittlungen kommt er kaum voran, zumal Ellen Bjarnebo sich hoch im Norden in einer Pension aufhält und nicht zu sprechen ist.
Parallel zu Barbarottis Sicht, erhält der Leser jedoch Einblick in Ellens Leben im Sommer 1989, der Zeit, in der sich alles zum Äußersten zuspitzen wird. Ellen hat ihr Schicksal nicht in die Hand genommen, sie hat sich vom Alkohol treiben lassen, Harry kennengelernt, sich schwängern lassen und geheiratet. Aber da war alles bereits zu spät. Mit seinem inneren Frust, dem Gefühl der Unzulänglichkeit und des Versagens tyrannisiert Harry seine Frau und mit Schlägen seinen bereits innerlich zerstörten Sohn.
Als Schlächterin von Klein-Burma, so der Name der kleinen Farm, Groß-Burma gehört dem erfolgreicheren Bruder von Harry, kehrt Ellen an den Ort des Geschehens wieder zurück und lebt mit Arnold Morinder. Auch Morinder ist ein Mensch, der wenig spricht, über den seine Mitmenschen kaum etwas sagen können. Eva Backman, Barbarottis Kollegin, ermittelt jedoch, dass Ellen und Morinder bereits in der Schule kurzzeitig ein Paar waren.
Barbarotti weiß, er muss endlich mit Ellen sprechen, um sich ein persönliches Bild von dieser Frau zu machen. Er ahnt, dass vieles in ihrer Geschichte nicht zusammenpasst und wird recht behalten.
Håkan Nesser lässt sich wie so oft Zeit, um alle Puzzleteile der Geschichte zusammenzusetzen. Auch wenn der Leser Kommissar Barbarotti viele Schritte voraus ist, stößt seine Kombinationsgabe ebenfalls an Grenzen. Bei allen dramatischen Verwicklungen, die sich mehr und mehr häufen, hält der Autor doch immer wieder inne für Nahaufnahmen.
Aber das erwartet man ja doch von einem guten Kriminalroman.
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