Antje Rávik Strubel: Der Einfluss der Fasane, S.Fischer Verlag, Berlin 2025, 240 Seiten, €24,00,
978-3-10-397171-2

„Auch die schlimmsten Ungereimtheiten, sagte sie gern, lassen sich psychisch verstoffwechseln.“

Diesen Satz und noch einige seltsame mehr äußert die Leiterin des Kulturressorts der „Abendpost“ sehr gern. Ist das Absicht, genau so wie sie Sprichwörter auch gern umdeutet? Hella Renata Karl jedenfalls hat es geschafft, denn sie war, wenn andere nur über Beziehungen aufstiegen, fleißig. Sie hat hart gearbeitet, um nun trotz schlechtem Englisch seit sieben Jahren eine leitende Position einzunehmen. Das Haus am See in der Nähe von Berlin und ein attraktiver Mann an ihrer Seite geben ihr den Rückhalt, den sie benötigt. Was macht es da schon, wenn ein neuer Berliner Theaterintendant namens Kai Hochwerth sie mit einem Satz und einer unfreundlichen Geste vor allen beleidigt. In ihrem Gedankenstrom spricht sich Hella Mut zu, übergeht Demütigungen und schafft es sogar mit diesem Hochwerth, der alle Inszenierungen an sich reißt und sich einen gewissen Ruf erarbeitet, klarzukommen. Doch dann eines Tages schlägt sie ihre eigene Zeitung am Morgen auf und muss in einer kurzen Mitteilung lesen, dass sich Kai Hochwerth in Sydney das Leben genommen hat. Dorthin hatte er seine Frau, eine bekannte Sopranistin, begleitet. Hella schreibt einen Nachruf und weiß doch, dass es da einen Artikel von ihr mit einer schlagkräftigen Headline gab, die in den alltäglichen, schnelllebigen Medien nicht einfach so untergegangen ist. Nach Recherchen und einem tränenreichen Interview mit der Beteiligten stellte sich heraus, dass Hochwerth eine junge Schauspielerin mit Aussicht auf eine Hauptrolle vor die Alternative gestellt hatte. Sie kann die Figur der Lulu spielen, aber nicht wenn sie schwanger ist. Hat er sie nun zu einer Abtreibung gezwungen? Angesichts all der #MeToo – Debatten, gegenwärtig sogar gegen den französischen Schauspieler Gérard Depardieu, bleibt dieses Thema offenbar doch wichtig. Allerdings wendet sich nun die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit mit all ihren miesen Attacken, ob nun in den sozialen oder anderen Medien nicht gegen Hochwerth, sondern gegen Hella. Ein ungünstiges Interview im Fernsehen eröffnet dann den Shitstorm gegen Hella und die Zeitung, wobei sogar Verleumdungen noch das geringste sind. Wie Hella versucht, nun ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, liest sich seltsamerweise wirklich komisch. Sie taucht nicht ab, sondern stellt sich den Herausforderungen. Heute, wo man alles über jeden erfahren kann, hatte Hella erkannt, dass auch Hochwerth ( sein Namen spiegelt sein Selbstbild ) wie sie aus einfachen Verhältnissen stammt und wie sie keinen einfachen beruflichen Weg zurückgelegt hat. Doch Hochwerth solidarisiert sich nicht mit der Journalistin, ganz im Gegenteil. Niemand stoppt die Allmachtsfantasien des Theatertyrannen, der kaum Rücksicht auf seine Mitarbeitenden zeigt. Hella erfährt keine Hilfe aus den Reihen ihrer Zeitungskollegen, jeder sucht das Weite, wenn man sich eigentlich gegenseitig stützen sollte. Wer will schon die Wahrheit hören? Für Hella löst sich alles auf, ihr sichere Arbeitsstelle, ihre Beziehung, ihre Selbstgewissheit.

Pointiert, temporeich, literarisch überzeugend und sogar ironisch betrachtet die Autorin den Abstieg einer nicht gerade sympathischen Figur, die sich durchaus auch selbstkritisch sieht, mit der man doch mitleidet, ohne es zu wollen.