Christine Brand: Vermisst – Der Fall Emily, Blanvalet Verlag, München 2025, 576 Seiten, €18,00, 978-3-7645-0880-7

„Nie hätte Malou damit gerechnet, dass es sich bei dem Skelett nicht um die sterblichen Überreste von Emily handelt. Sie hat diesen Fall übernommen, um nach einem vermissten Kind zu suchen – jetzt gibt es ein totes Kind, das niemand zu vermissen scheint. Alles fühlt sich falsch an.“

Malou Löwenberg hat sich dazu entschlossen, den Polizeijob an den Nagel zu hängen, und ihr eigenes Vermisstenbüro in Bern zu eröffnen. Doch niemand ruft an und die Vierzigjährige ist schon dabei, an ihrer Entscheidung zu zweifeln. Als dann jedoch die Galeristin Vera König Malou den Auftrag erteilt, ihre vor vier Jahren verschwundene Tochter Emily zu suchen, nimmt die Handlung Fahrt auf. Mit ihren guten Kontakten zur Polizei vor Ort, kann Malou Akteneinsicht erhalten und es existieren sogar Videoaufnahmen. Die vierjährige Emily ist auf einem Spielplatz spurlos verschwunden, als ihre alleinerziehende Mutter sich nur kurz umgedreht hatte. Wie ausgeblendet scheint für Vera dieser Moment zu sein. Sie kann sich an nichts erinnern. Seltsam ist auch, dass Vera erst einen Tag später zur Polizei gegangen ist.
Allerdings muss Malou feststellen, dass Vera vieles verschweigt und im Ernstfall auch lügt.
Nie äußert sie sich konkret zu ihrem Ex-Mann Léonard Laroche, einem berühmten Dirigenten, der jetzt in Paris lebt. Und sie hat Malou nicht erzählt, dass sie bereits ihre Tochter Amélie, ebenfalls im Alter von vier Jahren, verloren hat. Sie ist im heimischen Pool ertrunken.
Parallel zur Suche nach Emily verfolgt in Paris eine kleine Gruppe von Polizisten unter der Führung von Alex Collin eine rumänische Bande, die Kinder dazu abrichtet, Touristen zu bestehlen. Dass diese Kinder Geflüchtete sind, die aus Kinderheimen, auch aus Bern, entführt wurden, stellt sich erst später heraus. Der Skandal dabei ist, dass die Heimleitungen nicht mal die Polizei über die Abgänge ihrer Schutzbefohlenen informiert haben. Alex und Malou werden sich per Zufall in Paris an einer Kreuzung kennenlernen. Dass Emily vielleicht eines dieser Kinder sein könnte, ist eine Hoffnung. Alex, der allerdings Familie und Kinder hat, und Malou verlieben sich und hoffen, sich bei ihren Ermittlungen helfen zu können. Und dann gibt es noch eine Handlungsebene in diesem sehr dicken Roman, denn Malou, die von ihren Eltern als Baby ausgesetzt wurde, sucht nach ihren leiblichen Eltern. Alle Spuren, die Malou auf ihrer Suche nach Emily nachgeht, laufen ins Leere.
Vera beginnt dann auch noch ein Mädchen zu stalken, dass angeblich so aussieht wie die achtjährige Emily heute. Immer öfter findet Malou vor ihrer Haustür tote Elstern. Jemand versucht sie einzuschüchtern. Seltsam ist auch, dass Malou im Geburtenregister keine Angaben zu Emilys Existenz findet. Angeblich kam das Kind in Deutschland auf die Welt und Vera hat ihre Eltern, zu denen sie keine gute Beziehung hat, in Stuttgart mit dem Baby besucht. Malou wird immer skeptischer, denn Veras Schilderungen der Vorgänge widersprechen sich. Als Malou sich Amélies Grab ansieht, hofft sie auf einen entscheidenden Hinweis. Wieder per Zufall kennt sie den Bestatter des Friedhofs.
Christine Brand verfolgt mit ihrer Hauptfigur einen spannenden Cold Case, inspiriert von wahren Begebenheiten. Psychologisch genau beschreibt die Autorin die Innenwelt von Vera, die mit ihren Briefen an die Tochter sich aufrecht halten kann. Allerdings reiht die Autorin zu viele weitere Nebenhandlungen aneinander, die nur durch konstruierte Zufälle zusammenpassen. Allein die Begegnung von Alex und Malou, bei aller Attraktivität der rothaarigen Frau, ist kaum glaubhaft. Weiterhin geht Malou allein noch einem Vermisstenfall nach, wobei hier eine junge Frau den Vater ihres Kindes nach einem angeblichen One-Night-Stand sucht. Wie immer wäre weniger mehr, auch wenn am Ende alle Fäden zusammengeführt werden und ein überzeugendes Szenario von Emilys Verschwinden geschildert wird.
Besprechung des ersten Romans aus der Cold-Case-Reihe in diesem Literaturblog:

Christine Brand: Vermisst – Der Fall Anna