Jesper Juul: Das Familienhaus, In Zusammenarbeit mit Monica Øien, Aus dem Norwegischen von Knut Krüger, Kösel Verlag, München 2012, 224 Seiten, €16,99, 978-3-466-30920-7

„Entscheidend, ich sagte es schon, ist nicht, was wir tun, sondern wie und warum wir etwas tun. Es geht immer etwas hinter den Kulissen vor sich, das Bedeutung für das Geschehen auf der Bühne hat.“

Es ist schwierig, nur einen Satz von Jesper Juul als Anreiz zum Lesen seines Buches herauszusuchen. Es ist so, dass man diesem Querdenker eigentlich in fast allem zustimmen möchte und stellenweise beim Lesen froh ist, wenn er hin und wieder sehr konkret auch Rat erteilt. Dabei geht es immer um die einfachen Dinge des Lebens, die so schwierig werden können, einfach nur verunsichern. Im neuen Buch „Das Familienhaus“ durchläuft der dänische Familientherapeut im Gespräch mit der norwegischen Journalistin und Mutter Monica Øien, die in einer Patchworkfamilie lebt, verschiedene Räume in einem Haus. Sein Thema, wie so oft, ist das Zusammenleben von Familien unter einem Dach und der stetigen Frage: Wie gehen wir mit unseren Kindern um und wie sieht die Paarbeziehung mit Kindern aus? Entscheidend für das Wohlergehen einer Familie sei aber nicht, welche Regeln man aufstelle, sondern wie man miteinander umgehe, stellt Juul immer wieder fest.

Und so durchstreift er mit Monica Øien, die ihre Fragen auch auf Grund persönlicher Beobachtungen stellt, die einzelnen Räume: Schlafzimmer, Babyzimmer, Kinderzimmer, Jugendzimmer, Küche, Bad und Wohnzimmer.

Bei vielen Fragen kommt Jesper Juul immer wieder auf einen Punkt zurück: Kinder sind vollwertige Menschen. Sie müssen nicht erst durch Strafen und Verbote zurechtgebogen werden. Man soll ihnen vertrauen und sie eigene Fehler machen lassen. Und man sollte sie nicht ständig ausfragen, denn in einer offenen Atmosphäre reden Kinder von ganz allein.

Das klingt schlicht. Doch in einer Zeit, in der viele Eltern in Erziehungsfragen verunsichert sind, nicht mehr wissen, woran sie sich orientieren sollen, und den Eindruck haben, Erziehung sei ein ungeheuer kompliziertes, anspruchsvolles Unterfangen, sind solche einfachen Ratschläge vermutlich genau das, was ihnen hilft.

Juul erzählt gern von seinen Erfahrungen als Ehemann, Vater und Therapeut. Eltern müssen für ihn nicht perfekt sein. Sie sollten jedoch, wenn sie einen falschen Kurs eingeschlagen haben und das bemerken, auch zu ihren Fehlern stehen. Klare Ansagen und somit auch nachvollziehbare Handlungen sind für Kinder unbedingt nötig. Frustration muss sein, um einfach Grenzen zu spüren.

Vielleicht sind es auch diese einfachen Sätze, bei denen es wohltut, sie zu lesen: Kinder brauchen Eltern, die der Überzeugung sind, sie, die Kinder, seien in Ordnung, so wie sie sind; die offen ihre Meinung ausdrücken, vielleicht auch ihre Missbilligung, die aber nie das Vertrauen in ihre Kinder verlieren.

Im Familienhaus durchläuft Jesper Juul mehrere Entwicklungsphasen, vom Baby bis hin zum Teenager, von jungen Eltern bis hin zu Eltern von Kinder und Jugendlichen, die in die Pupertät eintreten. Jeder Raum hat seine Besonderheiten und umfasst Fragen, die sich jeder sicher auch bereits gestellt hat.

Jesper Juul beeindruckt den verunsicherten Leser bei seinen Antworten auf die Fragen von Monica Øien nicht durch bahnbrechende neue Entdeckungen. Er ist Praktiker durch und durch und beruft sich auf seine Erfahrungen und das, was er auch in seinen Seminaren oder auf seiner Website familylab.de verbreitet.